Der Azteke
halten. Wir werden den Indianer bei uns behalten und werden zulassen, daß er weiterhin seinen Unflat von sich gibt, zumindest solange, bis wir hören, wie Euer Majestät auf diese weitere Sendung seiner Geschichte reagieren. Zum Glück benötigen wir seine fünf Schreiber im Augenblick nicht für andere dringende Aufgaben. Der einzige Lohn dieses Geschöpfes besteht darin, daß wir ihm gestatten, unsere kargen Mahlzeiten mit uns zu teilen, und ihm in den Nächten, da er nicht die Reste von unserer Tafel zu seiner anscheinend kränkelnden Frau trägt und ihr über Nacht seinen Beistand zuteil werden läßt, in einem unbenutzten Vorratsraum hinter dem Kloster eine Strohschütte zur Verfügung zu stellen.
Dennoch vertrauen wir darauf, daß wir des Azteken und seiner üblen Ausdünstungen, die unserer Meinung nach von ihm ausgehen, bald ledig sein werden. Wir wissen, Sire, daß Ihr, sobald Ihr die folgenden Seiten gelesen haben werdet – welchselbige noch unbeschreiblich viel haarsträubender sind als die der vorhergehenden Sendung –, unseren Abscheu teilen und ausrufen werdet; »Nichts mehr von diesem Schmutz!«, genauso wie weiland David rief: »Verkündet's nicht auf den Gassen, daß nicht frohlocken die Ungläubigen.« Ungeduldig – nein, begierig – erwarten wir mit dem nächsten Kurierschiff den Befehl Eurer Hochverehrten Majestät, daß alle in der Zwischenzeit fertiggestellten Seiten vernichtet werden und wir diesen frevelhaften Barbaren aus unserem Kloster hinauswerfen können.
Möge Gott der Herr über Euer Allerdurchlauchtigsten Majestät wachen und Euch noch für viele Jahre in Seinem heiligen Dienste wirken lassen.
Euer Allerkatholischsten Majestät ergebener und fürbittender Kaplan,
( ECCE SIGNUM ) ZUMÀRRAGA
Altera Pars
Seine Exzellenz sind heute nicht anwesend, meine Herren Schreiber? Soll ich dann überhaupt fortfahren? Oh, ich verstehe, Er wird meine Worte von Euren Seiten ablesen, sobald er Muße dazu hat.
Wohlan denn! Lassen wir fürs erste die übertrieben persönliche Chronik meiner Familie und eigenen Person beiseite. Damit nicht der Eindruck entsteht, als hätte ich und die wenigen anderen Personen, die ich erwähnt habe, in einer Art Abgeschiedenheit gelebt, weit entfernt vom Rest der Menschen; gestattet, daß ich einen größeren Überblick gebe. Ich werde in meinen Gedanken und in meiner Erinnerung gleichsam beiseite- und zurücktreten, auf daß ich euch besser begreiflich mache, wie unsere Beziehungen zur Welt insgesamt aussahen. Jener Welt, die wir Cem-Anáhuac nannten, was soviel bedeutet wie Die Eine Welt.
Eure Forschungsreisenden kamen bald dahinter, daß sie zwischen zwei endlose Ozeane im Osten und im Westen eingebettet liegt. Die heißen Feuchtgebiete an den Rändern der Meere erstrecken sich nicht weit ins Landesinnere hinein, dann geht es schon aufwärts und ragen hohe Gebirgsketten, wobei zwischen der Kette im Osten und der im Westen wiederum eine Hochebene eingebettet ist. Diese Hochebene ist dem Himmel so nahe, daß die Luft dort dünn und rein und von strahlender Klarheit ist. Unsere Tage hier sind fast immer von frühlingshafter Milde, selbst während der mittsommerlichen Regenzeit – bis der trockene Winter kommt, da es Tititl, Gott der kürzesten Tage des Jahres gefällt, einige dieser Tage frostig, wenn nicht gar bitterkalt zu machen.
Der am dichtesten bevölkerte Teil der gesamten Einen Welt ist das große Becken oder die Senke in der Hochebene, die ihr jetzt das Tal von Mexiko nennt. Dort drängen sich die Seen, welche dieses Gebiet so verlockend machten als Wohnstatt für die Menschen. Eigentlich handelt es sich nur um einen einzigen gewaltigen See, welcher an zwei Stellen durch weit in den See vorstoßende Hochflächen eingedrückt wird, so daß insgesamt drei ausgedehnte Wasserflächen vorhanden sind, die vergleichsweise enge Wasserstraßen miteinander verbinden. Der kleinste und südlichste dieser Seen enthält Süßwasser und wird von klaren Flüssen gespeist welche Schmelzwasser von den schneebedeckten Bergen herunterführen. Der am weitesten im Norden gelegene See, wo ich meine Kindheit verbrachte, besteht aus rötlichem, recht salzigem Wasser, weil er von mineralhaltigem Land umgeben ist, welches seine Salze an das Wasser abgibt. In dem See in der Mitte, Texcóco-See – größer als die beiden anderen zusammengenommen –, vermengen sich Salzwasser und Süßwasser, was dazu führt, daß das Wasser des Texcóco leicht brackig ist.
Obwohl es nur ein
Weitere Kostenlose Bücher