Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
Vom Netzwerk:
Kopf, als sie mich sahen, doch sagen taten sie nichts, noch boten sie mir einen Platz am Speisetuch an. Die junge Frau führte mich in eine leere Kammer, in welcher ich mich dankbar auf einem rohen Icpáli-Stuhl niederließ. Ich fragte sie:
    »Wie redet man den Tlatocapili an?«
    »Er heißt Tliléctic-Mixtli.«
    Ums Haar wäre ich vom Stuhl gefallen. Dieser Zufall war zu erschreckend. Wenn er auch Dunkle Wolke hieß – wie sollte ich mich da nennen? Ein Mann, den ich in einen Tümpel hineingestoßen hatte, würde mich für einen unverfrorenen Spötter halten, wenn ich mich auch noch mit seinem Namen vorstellte. Gerade in diesem Augenblick vernahm ich aus dem größeren Speiseraum Geräusche, die darauf schließen ließen, daß er endlich heimgekehrt sei, und sein furchtsames junges Weib eilte hinaus, ihren Herrn und Meister zu begrüßen. Ich schob mein Messer auf meinem Rücken in den Leibriemen, so daß man es nicht sehen könne, und hielt meine rechte Hand wie zufällig in der Nähe.
    Ich hörte die Frauenstimme murmelnd etwas sagen, dann das Gepolter des Gatten: »Ein Besucher, für mich? Zur Mictlan mit ihm! Ich bin am Verhungern! Bereite diese Frösche zu, Frau! Ich mußte die verdammten Dinger zweimal fangen!« Abermals murmelte schüchtern die Frau noch etwas, und diesmal ertönte sein Gepolter womöglich noch lauter: »Was? Ein Fremder?«
    Mit einem ungebärdigen Ruck riß er den Vorhang zur Tür jener Kammer auf, in welcher ich saß. Es war in der Tat derselbe junge Mann; er hatte immer noch Tümpelgrün in seinem Haar und war von der Hüfte an schlammbedeckt, starrte mich einen Moment an und bellte dann: »Du?«
    Ich beugte mich von meinem Stuhl hernieder, um die Geste des Erdeküssens zu vollführen, und hatte die Rechte immer noch am Heft meines Messers, als ich höflich aufstand. Dann brach der junge Mann zu meiner größten Verwunderung in ein unbändiges, schallendes Gelächter aus und sprang vor, um mich brüderlich zu umarmen. Seine Frau und etliche von den jüngeren und älteren Verwandten spähten um den Türrahmen herum und hatten die Augen immer noch fassungslos weit aufgerissen.
    »Willkommen, Fremder!« röhrte er und lachte nochmals ein wenig. »Bei den gespreizten Beinen der Göttin Coyolxaúqui, es ist mir ein Vergnügen, dich wiederzusehen. Sieh dir bloß mal an, was du mir angetan hast, Mann! Als ich endlich aus diesem Schlammloch herauskam, waren sämtliche Kanus für die Nacht schon fort. Und ich mußte über den ganzen See herüber waten!«
    Vorsichtig erkundigte ich mich: »Und das hast du amüsant gefunden?«
    Er lachte nochmals. »Beim kalten Loch der trockenen Tipili der Mondgöttin – ja! Und ob ich das getan habe! Solange ich in diesem langweiligen und öden Nest lebe, war das für mich das erste Mal, daß mir etwas Ungewöhnliches und Unerwartetes widerfuhr. Ich danke dir, daß endlich mal etwas Ungewöhnliches in diesem Abgrund der Langeweile geschehen ist! Wie heißt du, Fremder?«
    Ich sagte: »Mein Name ist – er – Tepetzálan«, und suchte beim Namen meines Vaters Zuflucht.
    »Tal?« sagte er. »Dann bist du das größte Tal, daß ich je gesehen habe! Nun, Tepetzálan, hab' keine Angst, daß ich mich für das rächen werde, was du mir angetan hast. Bei den schlaffen Titten der Göttin, es ist mir ein Vergnügen, endlich mal einem Mann mit Eiern unter seinem Schamtuch zu begegnen. Falls meine Stammesangehörigen welche haben – zeigen tun sie sie höchstens ihren Frauen!« Er drehte sich um und belferte seine eigene Frau an: »Es sind genug Froschschenkel für meinen Freund und mich da! Bereite sie zu, während ich mir etwas von diesem Dreck von der Haut runterschwitze! – Vielleicht möchtest du auch ein erfrischendes Bad, Freund Tepetzálan?«
    Als wir uns im Schwitzbad hinterm »Palast« auszogen – und ich feststellte, daß er am Körper genauso unbehaart war wie ich –, sagte der Tlatocapili: »Ich nehme an, du bist einer unserer Vettern aus der fernen Wüste. Denn unsere Nachbarn rings um uns her sprechen unsere Sprache nicht.«
    »Einer eurer Vettern, denke ich«, sagte ich. »Freilich nicht aus der Wüste. Hast du schon mal vom mächtigen Volk der Mexíca gehört? Oder von der großen Stadt Tenochtítlan?«
    »Nein«, sagte er sorglos, als sei seine Unwissenheit nichts, dessen man sich schämen müsse. Er sagte sogar: »Unter den verschiedenen elenden Dörfern in dieser Gegend ist Aztlan die einzige Stadt.« Ich lachte nicht, und er fuhr fort: »Wir sind

Weitere Kostenlose Bücher