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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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zur Tür heraus. Die Stimme versagte mir, ich konnte nicht mehr sprechen, konnte ihr nur noch durch Zeichen zu verstehen geben, sie solle sich um ihre Herrin kümmern. Irgendwie gelang es mir, die Treppe in den Oberstock hinaufzusteigen. Nur eine Schlafkammer war bereitgemacht worden: diejenige, welche Zyanyas und meine gewesen war. Das Lager aus dicken Decken war links und rechts einladend zurückgeschlagen. Ich stieß einen Fluch aus und schleppte mich in die Gästekammer nebenan, entrollte unter großer Anstrengung die Decken, welche dort aufgehoben wurden, und ließ mich schlaff, das Gesicht nach unten, darauf fallen. Ich fiel in den Schlaf, so wie ich eines Tages in den Tod und in Zyanyas Arme fallen werde.
    Ich schlief bis zum Mittag des nächsten Tages, und die alte Türkis drückte sich ängstlich vor der Tür herum, als ich erwachte. Die Tür zur Hauptschlafkammer war geschlossen, kein Laut war von dort zu hören. Ich erkundigte mich nicht nach Béus Zustand. Ich befahl Türkis Wasser für mein Bad heiß zu machen und die Steine im Schwitzbad zu erhitzen und dann anzufangen zu kochen und nicht aufzuhören damit, bis ich es ihr befahl. Nachdem ich endlich genug abwechselnd geschwitzt und mich im Badebecken geaalt hatte, ging ich nach unten und aß und trank ganz allein für drei.
    Als die Dienerin den zweiten Teller vor mich hinstellte und vielleicht den dritten Krug Schokolade, sagte ich zu ihr: »Ich brauche meinen Kampfanzug samt allem Schmuck und den Zeichen des Adlerritters. Wenn du fertig bist mit dem Auftragen, hol sie bitte hervor, sorge dafür, daß sie gelüftet werden und alle Federn geputzt, und daß alles in Ordnung ist. Doch zunächst einmal schick Stern Sänger zu mir.«
    Mit zitternder Stimme sagte sie: »So leid es mir tut, es Euch sagen zu müssen, Herr, aber Stern Sänger ist vorigen Winter an einer Erkältung gestorben.«
    Ich sagte, das zu hören tue mir leid. »Dann mußt du einen Botengang für mich machen, Türkis, noch ehe du dich um den Kampfanzug und den Schmuck kümmerst. Du gehst zum Palast …«
    Sie fuhr zurück und sagte mit erstickter Stimme: »Ich, Herr? Zum Palast? Aber die Wachen werden mich nicht einmal bis zum Portal kommen lassen!«
    »Sag ihnen, du kommst von mir, und sie werden dich durchlassen«, erklärte ich voller Ungeduld. »Was du zu sagen hast, hast du nur zum Uey-Tlatoáni zu sagen und zu niemand sonst!«
    Abermals holte sie tief Luft und sagte: »Zum Uey …?«
    »Still, Weib! Dies ist es, was du ihm sagen wirst. Lern es auswendig. Nur dieses eine: ›Der Abgesandte des Verehrten Sprechers braucht sich nicht mehr auszuruhen. Dunkle Wolke ist bereit, zu seiner Mission aufzubrechen, sobald der Verehrte Sprecher die Eskorte bereitgestellt hat.‹«
    Und so machte ich mich, ohne Wartenden Mond noch einmal wiederzusehen, auf, um mit den wartenden Göttern zusammenzutreffen.

IHS
S.C.C.M.
    SEINER ALLERKATHOLISCHSTEN MAJESTÄT, KAISER KARL V., UNSEREM ALLERDURCHLAUCHTIGSTEN KÖNIG UND HERRN:
    Allererhabenste Majestät Erlauchtester unter den Fürsten: aus der Stadt Mexíco, Haupstadt Neuspaniens, am Fronleichnamsfest im Jahre des Herrn eintausendfünfhundertundeinunddreißig, entbieten wir Euch unseren alleruntertänigsten Gruß.
    Wir schreiben dies mit Kummer im Herzen, mit Zorn und voller Zerknirschung. In unserem letzten Schreiben haben wir unserer Freude Ausdruck verliehen ob unseres Souveräns kluger Überlegungen hinsichtlich der möglichen – nein, der offenbar unwiderleglichen – Ähnlichkeit zwischen der Quetzalcóatl genannten Gottheit der Indianer und unserem christlichen Heiligen Thomas. Aber ach, heute müssen wir Euch voller Bedauern und mit größter Verlegenheit eine Reihe schlechter Neuigkeiten mitteilen.
    Wir beeilen uns zu erklären, daß nicht im geringsten Zweifel an Euer Allergnädigster Majestät glänzender Theorie per se aufgekommen sind. Doch müssen wir Euch sagen, daß Euer ergebener Kaplan vorschnell gehandelt hatte, als er Beweise zur Stützung jener Hypothese vorlegen zu können glaubte.
    Was uns ein klarer Beweis für die Richtigkeit der Annahme Eurer Majestät zu sein schien, war die unerklärliche Auffindung der Hostien, welche in einem Kästchen eingeborener Arbeit in der alten Stadt Tula verborgen worden waren. Kürzlich haben wir jedoch erfahren müssen – und zwar, wie Euer Majestät der Lektüre der beigefügten Konvolute entnehmen werden, aus dem Munde unseres Erzählers, des Azteken –, daß wir einer Täuschung erlegen

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