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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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und mich sauber waschen – kann mich reizvoll machen – und Ihr würdet mich nicht zurückweisen! In feinen Kleidern könnte man mich für eine feine Dame halten! Ich kann so tun, als ob ich liebte, und selbst Ihr würdet mir glauben!« Sie hielt inne, um dann höhnisch zu sagen: »Welche Frau ist jemals anders mit Euch verfahren, Gebieter, wenn all ihr Sinnen und Trachten darauf gerichtet war, mehr zu sein als ein Gefäß für Euer Tepúli?«
    Es juckte mir in den Fingern, sie ihrer Unverschämtheit wegen zu züchtigen, doch diese herabgekommene Sklavin war schon fast eine Frau, und es ging nicht an, ihr das Hinterteil zu versohlen wie einem Kind; sie war aber auch zu jung, um geschlagen zu werden wie eine Erwachsene. So konnte ich ihr nur die Hände auf die Schultern legen, doch griff ich hart zu, um ihr wehzutun, und mit zusammengebissenen Zähnen sagte ich:
    »Es stimmt, ich habe auch andere Frauen gekannt, die wie du waren: käuflich, betrügerisch und hinterhältig. Aber ich habe auch andere gekannt, die das nicht waren. Eine von ihnen war meine Tochter, geboren mit demselben Namen, den auch du trägst, und wäre es ihr vergönnt gewesen weiterzuleben, sie hätte diesen Namen zu etwas gemacht, worauf sie hätte stolz sein können.« Ich konnte meinen aufwallenden Zorn nicht unterdrücken, und meine Stimme erhob sich mit ihm: »Warum hat sie sterben müssen, während du lebst?«
    Ich schüttelte diese Ce-Malinali so heftig, daß sie den Wasserkrug fallen ließ. Er zerbrach, und das Wasser spritzte auf, doch ich achtete nicht auf dieses Zeichen böser Vorbedeutung. Ich schrie so laut, daß sich überall im Lager Köpfe nach mir umdrehten, und der Sklavenhändler kam herbeigelaufen und flehte mich an, nicht so roh mit seiner Ware umzugehen. Ich glaube, in diesem Moment ist mir für einen kurzen Augenblick die Vision eines Sehers zuteil geworden, hatte ich einen kurzen Blick in die Zukunft werfen dürfen, denn was ich schrie, war dies:
    »Du wirst diesen Namen zu etwas Unreinem, Schmutzigen und Verächtlichen machen, und alle Menschen werden ausspucken, wenn sie ihn aussprechen!«
    Ich merke, Euer Exzellenz bekunden Ungeduld, daß ich bei einer Begebenheit verweile, die Euch bedeutungslos vorkommen muß. Aber diese Begegnung, so kurz sie war, war mitnichten bedeutungslos. Wer dieses Mädchen war, zu wem sie als reife Frau wurde und was letzten Endes aus ihren frühreifen ehrgeizigen Plänen wurde – all diese Dinge sind von allergrößter Bedeutung. Wäre dieses Kind nicht gewesen, Euer Exzellenz wären möglicherweise heute nicht unser hochwürdigster Herr Bischof von Mexíco.
    Ich hatte sie selbst schon vergessen, als ich an diesem Abend unter dem Schlimmes verheißenden rauchenden Stern einschlief, welcher mir zu Häupten am dunklen Himmel hing. Am nächsten Tag zog ich mit meinem Gefolge über Coátzacoálcos hinaus weiter. Wir hielten uns an die Küste und kamen durch die Städte Xicalánca und Kimpech und gelangten schließlich an jenen Ort, wo die mutmaßlichen Götter warteten, in die Stadt namens Tihó, Hauptstadt des Xiu-Zweiges der Maya in der nördlichsten Ecke der Halbinsel Uluümil Kutz. Bei unserer Ankunft war ich angetan mit der ganzen Pracht meiner Adlerritter-Insignien, und es versteht sich von selbst, daß wir von der Leibwache des Xiu-Häuptlings Ah Tutál voller Hochachtung empfangen und in feierlicher Prozession durch die Straßen dieser strahlend weißen Stadt bis zum Palast geleitet wurden. Freilich, ein richtiger Palast war es vielleicht nicht, aber wer erwartet schon prächtige Bauten unter den Nachfahren der Maya. Immerhin waren die einstöckigen, strohgedeckten Lehmziegelgebäude wie die gesamte übrige Stadt strahlend weiß getüncht, und die Palastgebäude waren im Quadrat um einen weitflächigen Innenhof herum errichtet.
    Ah Tutál, ein hinreißend schieläugiger Herr meines Alters, war tief beeindruckt von der Pracht der Geschenke, welche Motecuzóma ihm schickte. Ich selbst wurde mit einem Festmahl willkommen geheißen, und während wir speisten, plauderten er und ich zwanglos über so überaus interessante Themen wie seine und meine Gesundheit sowie die aller unserer lebenden Freunde und Verwandten. Wir hätten keinen kleinen Finger für derlei nichtiges Geplauder gegeben; mir war jedoch darum zu tun herauszufinden, wie gut ich mit dem dortigen Dialekt der Mayasprache zurechtkam. Nachdem wir uns mehr oder weniger gegenseitig klargemacht hatten, wie weit es mit meinem

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