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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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glänzend – selbstverständlich handelte es sich um Stahl –, und an seiner Öffnung waren am Rand Lederriemen befestigt, womit man es offensichtlich unterm Kinn befestigen konnte.
    Ich sagte: »Das ist ein Helm, wie sich der Verehrte Sprecher gewiß schon selbst gedacht hat. Und ein außerordentlich praktischer Helm dazu. Kein Maquáhuitl könnte einem Mann den Kopf spalten, der einen solchen Helm trägt. Es wäre gut, wenn unsere eigenen Krieger mit so etwas ausgerüstet …«
    »Du übersiehst das wichtigste!« fiel er mir ungeduldig in die Rede.
    »Dieses Ding hat die gleiche Form wie das, was der Gott Quetzalcóatl für gewöhnlich auf seinem verehrten Haupt trug.«
    Zweifelnd, wiewohl respektvoll, sagte ich: »Woher wollen wir das wissen, Hoher Gebieter?«
    Mit nochmaliger triumphierender Gebärde zog er endlich seine letzte große Überraschung hervor. »Hier! Sieh dir das an, du störrischer alter Ungläubiger. Das hat mein eigener Neffe Cacáma mir aus den Archiven von Texcóco geschickt.«
    Es handelte sich um einen auf Kitzhaut geschriebenen Geschichtsbericht, in welchem die Abdankung und Abreise des Toltéca-Herrschers Gefiederte Schlange erzählt wurde. Mit leicht zitterndem Finger zeigte Motecuzóma auf eines der Bilder. Es zeigte Quetzalcóatl, welcher auf seinem Floß stand, zum Abschied winkte und hinausglitt aufs Meer.
    »Gekleidet ist er wie wir«, sagte Motecuzóma, und auch seine Stimme zitterte ein wenig. »Doch auf dem Haupt trägt er etwas, was die Krone der Toltéca gewesen sein muß. Vergleiche sie einmal mit dem Helm, den du in diesem Augenblick in Händen hältst.«
    »Wer wollte die Ähnlichkeit zwischen den beiden Dingen bestreiten«, sagte ich, woraufhin er vor Genugtuung grunzte. Ich jedoch fuhr vorsichtig fort: »Gleichwohl, Hoher Gebieter, dürfen wir nicht vergessen, daß die Toltéca längst verschwunden waren, ehe die Acólhua lernten, zu zeichnen und zu malen. Infolgedessen kann der Künstler, der das hier geschrieben hat, niemals gesehen haben, wie ein Toltécatl sich kleidete. Ich gebe zu, der Kopfputz hier auf dem Bild weist eine wunderbare Ähnlichkeit mit dem Helm des weißen Mannes auf. Aber ich weiß sehr wohl, daß geschichtenerzählende Schreiber in ihre Arbeit ihre eigenen Phantasien einfließen lassen können. Außerdem möchte ich meinen Hohen Gebieter darauf hinweisen, daß es so etwas wie Zufälle gibt.«
    »Yya!« Motecuzóma brachte es fertig, daß dieser Ausruf sich eher anhörte, wie wenn jemand sich erbrach. »Bist du denn durch nichts zu überzeugen? Hör zu, es gibt sogar noch mehr Beweise. Wie ich vor langer Zeit versprochen, habe ich alle Historiker des Dreibunds darauf angesetzt, alles über die verschwundenen Toltéca in Erfahrung zu bringen, was sie finden konnten, und zu ihrer eigenen Überraschung – das geben sie freimütig zu – haben sie dabei viele alte Legenden ausgegraben, die an falscher Stelle abgelegt oder vergessen worden waren. Vernimm also dieses: Nach diesen wiederentdeckten Legenden sollen die Toltéca von ungewöhnlich bleicher Haut und ungewöhnlich behaart gewesen sein. Unter ihren Männern galt es als besonderes Zeichen von Männlichkeit, möglichst viel Haar im Gesicht wachsen zu haben.« Er lehnte sich vor, um mich besser anfunkeln zu können. »Schlicht gesagt, Ritter Mixtli, waren die Toltéca weiße und bärtige Männer genauso wie die Fremden, welche jetzt immer häufiger zu Besuch kommen. Was sagst du dazu?«
    Ich hätte dem entgegenhalten können, daß unsere Historiker den Kopf so voll hatten von Legenden und abgewandelten Legenden und Ausschmückungen von Legenden, daß jedes Kind imstande wäre, ein paar davon zu finden, welche geeignet wären, die wildesten Annahmen und ausgefallensten Theorien zu untermauern. Und ich hätte ihm sagen können, daß ergebene Historiker wahrscheinlich alles tun würden, einen Verehrten Sprecher nicht zu enttäuschen, der von einer Idee besessen sei und Beweise fordere, diese zu stützen. Ich aber sagte dieses nicht:
    »Wer immer die weißen Männer sein mögen, Hoher Gebieter, Ihr habt zu recht darauf hingewiesen, daß ihre Besuche sich jetzt häufen. Und des weiteren, daß sie jetzt jedesmal in größerer Zahl kommen. Auch sind sie jedesmal weiter westlich gelandet – erst in Tihó, dann in Kimpech und jetzt in Xicalánca –, rücken also immer näher an unsere Lande heran. Was meint der Hohe Gebieter dazu?«
    Er rutschte auf seinem Thron hin und her, als spürte er unbewußt, daß

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