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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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er darauf nicht sicher sitze, und nach einigen Augenblicken des Überlegens sagte er:
    »Als man ihnen keinen Widerstand entgegensetzte, haben sie keinerlei Schaden angerichtet. Da sie immer mit Schiffen unterwegs sind, liegt es auf der Hand, daß sie sich am liebsten auf dem Meer oder in Meeresnähe aufhalten. Du selbst hast gesagt, sie kämen von irgendwelchen Inseln. Wer immer sie sein mögen – die zurückkehrenden Toltéca oder die Götter der Toltéca selbst –, sie bekunden keinerlei Neigung, weiter ins Inland vorzustoßen, welches einst ihnen gehört hat.« Er zuckte mit den Achseln. »Sofern sie zurückkehren wollen in Die Eine Welt, sich aber nur im Küstenbereich niederlassen wollen … nun …« Er zuckte abermals mit den Achseln. »Warum sollten wir mit ihnen nicht als freundliche Nachbarn nebeneinander leben können?« Er hielt inne, doch als ich schwieg, fragte er voller Bitterkeit: »Stimmst du mir nicht zu?«
    Ich sagte: »Nach meiner Erfahrung, Verehrter Sprecher, weiß kein Mensch jemals, ob ein möglicher Nachbar einen Schatz oder eine Plage darstellt, bis dieser Nachbar für immer eingezogen ist, und dann ist es zu spät für irgendwelches Bedauern. Ich würde es mit einer überstürzten Eheschließung vergleichen. Man kann nur hoffen.«
    Nach etwas weniger als einem Jahr zogen die Nachbarn gleichsam ein, um zu bleiben. Es geschah im Frühling des Jahres Ein Rohr, daß ein weiterer Schnellbote eintraf, abermals aus dem Olméca-Land, doch diesmal kam er mit höchst beunruhigender Nachricht; Motecuzóma schickte sofort nach mir und berief gleichzeitig den Staatsrat ein, damit dieser die Nachrichten vernehme. Der Cupilcatl-Bote hatte Borkenpapiere mitgebracht, auf welchen in Bilderschrift die traurige Geschichte wiedergegeben war. Doch während wir sie uns ansahen, berichtete er selbst in atemlosen, verängstigten eigenen Worten, was geschehen war. Am Tage Sechs Blume waren die Schiffe wieder auf ihren breiten Flügeln auf die Küste herniedergeglitten gekommen, und zwar nicht nur ein paar, sondern eine ganze Flotte, insgesamt elf Schiffe. Nach eurem Kalender, meine Herren Skribenten, muß das der fünfundzwanzigste Märztag gewesen sein oder Frühlingsanfang des Jahres eintausendfünfhundertundneunzehn.
    Die elf Schiffe hatten vor der Mündung des Tabascoöb-Flusses festgemacht, weiter westlich als beim vorigen Besuch, und es waren von ihnen Hunderte weißer Männer auf den Strand gekommen. Alle bewaffnet und in Metall gekleidet, waren diese Männer haufenweise an Land gekommen, hatten »Santiago!« gerufen – offenbar der Name ihres Kriegsgottes – und waren diesmal offensichtlich in der Absicht gekommen, mehr zu tun, als sich nur die Sehenswürdigkeiten anzusehen und von der heimischen Küche zu kosten. Infolgedessen waren unter der Bevölkerung sogleich die Krieger ausgehoben worden – die Cupilco, die Coatzacuáli, die Coatlicamac und andere aus jenem Gebiet –, alles in allem etwa fünftausend Mann. Binnen zehn Tagen waren viele Schlachten geschlagen worden, und die Leute hatten gekämpft wie die Berglöwen, doch habe alles nichts genützt, denn die Waffen der weißen Männer seien unbesieglich.
    Sie besäßen Speere und Schwerter, Schilde und Körperschützer aus Metall, an welchen die Obsidian-Maquáhuime beim ersten Schlag zerbrächen. Sie hätten Bogen, die verachtenswert klein seien und unhandlich quer gehalten wurden, mit denen sich aber kurze Pfeile mit unglaublicher Zielgenauigkeit abschießen ließen. Sie hätten Stecken, welche Donner und Blitz spuckten und ein lachhaft kleines, aber todausteilendes Loch in die Opfer schlügen. Sie hätten Metallrohre auf großen Rädern, welche dem wütenden Sturmgott noch mehr ähnelten, denn diese ließen noch hellere Blitze und lauteren Donner und eine Fülle von auseinanderspritzenden Metallbrocken hervorschießen, welche viele Männer auf einmal niederstrecken könnten wie Maisstengel von einem Hagelsturm. Das Unfaßlichste jedoch, das Ungeheuerlichste und Erschreckendste von allem, sagte der Bote, sei, daß einige von den weißen Kriegern Tier-Menschen seien: sie hätten den Körper von riesigen, unbehörnten Hirschen mit vier hufbesetzten Beinen, auf denen sie dahinsprengen könnten wie Hirsche, während sie mit den beiden menschlichen Armen Speere schleuderten oder tödliche Schwerthiebe austeilten. Schon ihr Anblick sei geeignet, mutige Männer heillos auseinanderlaufen zu lassen.
    Ihr lächelt, ehrwürdige Patres. Aber damals

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