Der Azteke
Streich, den man empfing, lebhaft als blutige Wunde am Körper und im Gesicht zu erkennen war, und mir war es unendlich peinlich, wenn man mich dergestalt gezeichnet in der Öffentlichkeit sah. Eben dieses brachte mich dazu, um eine Unterredung unter vier Augen mit unserem Cuachic zu bitten. Er war ein kampferprobter alter Mann, hart wie Obsidian und vermutlich in allem anderen bis auf das Kriegshandwerk völlig ungebildet – aber dumm war er nicht.
Ich bückte mich, um die Geste des Erdeküssens zu vollführen, und sagte dann, immer noch auf den Knien: »Meister Blut Schwelger, Ihr wißt, daß ich schlecht sehen kann. Ich fürchte, Ihr verschwendet Eure Zeit und Eure Geduld, wenn Ihr versucht, einen Soldaten aus mir zu machen. Wären diese Male an meinem Körper echte Wunden, würde ich schon längst tot sein.«
»So?« meinte er ungerührt. Dann ging er in die Hocke, so daß sein Gesicht etwa in gleicher Höhe mit dem meinen war. »Umnebelt von Mann zu Mann – ich will dir einmal erzählen, daß ich unten in Quautemálan, dem Strauchland, einen Mann getroffen habe. Die Angehörigen dieses Volkes, das weißt du vielleicht, haben alle große Angst vor dem Tod. Dieser Mann, von dem ich spreche, nahm vor allem Reißaus, was auch nur entfernt nach Gefahr aussah. Er ging den selbstverständlichsten Wagnissen des Lebens aus dem Weg und verkroch sich in Sicherheit und Geborgenheit. Er umgab sich mit Heilkundigen, Priestern und Zauberern. Er nahm nur die nahrhaftesten Speisen zu sich und trank gierig jeden lebenserhaltenden Trank in sich hinein, von dem er hörte. Kein Mensch hat jemals besser acht gegeben auf sein Leben. Er lebte nur, um weiterzuleben.«
Ich wartete, ob er noch mehr zu sagen hätte, doch es kam nichts, und so fragte ich: »Und was ist aus ihm geworden, Meister Cuachic?«
»Er starb.«
»Ist das alles?«
»Was sonst soll einem Menschen geschehen? Ich kann mich nicht einmal mehr an seinen Namen erinnern. Nichts blieb von ihm in meiner Erinnerung haften, außer, daß er lebte und starb.«
Als er nochmals schwieg, sagte ich: »Meister, ich weiß, wenn ich in der Schlacht falle, diene ich den Göttern damit zur Nahrung und sie werden mich in der Gegenwelt reichlich dafür belohnen; vielleicht wird sogar mein Name nicht vergessen werden. Aber könnte ich nicht eine Zeitlang in dieser Welt von Nutzen sein, bevor ich meinen Tod erlange?«
»Du brauchst in der Schlacht nur einen einzigen wirksamen Schlag auszuteilen, mein Junge. Selbst wenn du dann im nächsten Augenblick erschlagen wirst, hast du etwas in deinem Leben getan. Mehr als all die Menschen, die sich nur plagen, um zu leben, bis die Götter es leid werden, ihrer Vergeblichkeit zuzusehen und sie mit einem Handstreich ins Vergessen befördern.« Blut Schwelger stand auf. »Hier, Umnebelt, dies ist mein eigenes Maquáhuitl. Es hat mir lange wohl gedient. Fühl nur, wie wunderbar es in der Hand liegt.«
Ich gebe gern zu, daß es mich ungeheuer erregte, als ich zum erstenmal ein richtiges Schwert in der Hand hielt und nicht ein Spielzeugschwert aus Korkholz und Federn. Es war ganz furchtbar schwer, doch flüsterte allein sein Gewicht mir zu: »Ich bin Stärke.«
»Ich sehe, daß du es mit einer Hand hochheben und schwingen kannst«, meinte der Waffenmeister. »Das schafft sonst kein Knabe deines Alters. Jetzt komm hierher, Umnebelt. Das hier ist ein kräftiger Nopáli. Versetz ihm den Todesstreich.«
Der Kaktus war alt und nahezu baumhoch. Seine stachligen Glieder waren wie Paddel und sein rissiger Stamm so dick wie mein Leib. Versuchsweise schwang ich das Maquáhuitl zunächst mit der rechten Hand, und seine Obsidianschneide fraß sich mit einem hungrigen Tschnukkk in das Kaktusholz. Ich lockerte die Klinge, packte den Griff mit beiden Händen, holte aus, so weit ich konnte und schlug dann mit aller Kraft zu. Ich hatte erwartet, daß die Klinge noch ein Stück tiefer hineingehen würde und war daher völlig überrascht, als sie sauber den ganzen Kaktusstamm durchtrennte und dieser – farblosem Blut gleich – seinen Saft verspritzte. Krachend fuhr der Nopáli hernieder, und der Waffenmeister und ich mußten behende zurückspringen, um nicht von der Masse der Stacheln böse zerkratzt zu werden.
»Ayyo, Umnebelt!« entfuhr es Blut Schwelger bewundernd. »Welche Fähigkeiten auch immer dir abgehen mögen, auf jeden Fall besitzt du die Stärke des geborenen Kriegers.«
Vor Freude und Stolz errötete ich, mußte aber trotzdem noch einmal
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