Der Azteke
erklären: »Jawohl, Meister, ich kann zuschlagen und töten. Aber was ist mit meiner großen Kurzsichtigkeit? Angenommen, ich treffe den falschen Mann, einen der Unsrigen?«
»Kein Cuachic, dem die Neukrieger anvertraut sind, würde dich je dort einsetzen, wo das geschehen könnte. In einem Blumenkrieg könnte er dich den Feßlern zuteilen, welche die Stricke tragen, mit denen die Gefangenen gefesselt werden, um sie zum Opfer hierherzubringen. Oder in einem richtigen Krieg den zur Nachhut gehörigen Garausmachern, die gnädig jene Kameraden und Gegner von ihrer Qual erlösen, die verwundet zurückbleiben, wenn die Schlacht über sie hinweggegangen ist.«
»Feßler und Garausmacher«, knurrte ich halblaut. »Das sind für einen tapferen Mann kaum Aufgaben, sich der Belohnung in der Gegenwelt zu versichern.«
»Du hast von dieser Welt gesprochen«, erinnerte der Waffenmeister mich, »von Dienen und nicht von Heldentum. Selbst der Geringste kann noch dienen. Ich erinnere mich noch daran, wie es war, als wir in die hochmütige Stadt Tlaltelólco einmarschierten, um sie unserem Tenochtitlan einzuverleiben. Die Krieger dieser Stadt kämpften selbstverständlich in den Straßen gegen uns, aber ihre Frauen, Kinder und Greise standen auf den Hausdächern und warfen große Steine und Nester voll wütender Wespen auf uns herab, manchmal sogar Hände voll von ihrem eigenen Kot.«
Meine Herren Schreiber, dies ist wohl die geeignete Stelle, euch klarzumachen, daß unter den verschiedenen Arten von Kriegen, die wir Mexíca führten, die Schlacht um Tlaltelólco eine Ausnahme bildete. Unser Verehrter Sprecher Axayácatl hielt es einfach für notwendig, diese anmaßende Stadt zu unterwerfen, ihr die Unabhängigkeit zu nehmen und ihre Bewohner zu zwingen, unserer großen Inselhauptstadt Tenochtitlan Treue zu geloben. Doch im allgemeinen ging es bei unseren Kriegen gegen andere Völker nicht um Eroberungen – zumindest nicht in dem Sinne, wie eure Heere Neuspanien erobert und zu einer niedrigen Kolonie eures Mutterlandes Spanien gemacht haben.
Nein, wir vermochten ein anderes Volk zwar zu besiegen und zu demütigen, doch niemals vertilgten wir es von dieser Erde. Wir kämpften, um unsere eigene Macht zu beweisen und um die weniger Mächtigen tributpflichtig zu machen. Streckte ein Volk die Waffen und gelobte uns Mexíca Lehnstreue, wurde ihm ein Verzeichnis der Rohstoffe und Landeserzeugnisse übergeben – Gold, Gewürze, Oli, was auch immer –, die es in ganz bestimmten Mengen fürderhin jährlich an unseren Verehrten Sprecher abzuliefern hatte. Außerdem mußte es gewärtig sein, daß wir waffenfähige Männer unter ihnen aushoben, wenn es sich als nötig erwies, daß sie zusammen mit uns Mexíca ins Feld zogen.
Aber sein Name und seine Souveränität wurden diesem Volk nicht genommen, auch nicht sein Herrscher, seine hergebrachte Lebensweise und die Art von Religion, die es bevorzugte. Auch zwangen wir ihm keines unserer Gesetze, Sitten und Gebräuche oder Götter auf. Unser Kriegsgott Huitzilopóchtli zum Beispiel war unser Gott. Unter seiner besonderen Fürsorge hoben wir uns von den anderen ab und erhoben uns über sie; daher ließen wir nicht zu, daß andere ihn mit uns teilten oder wir ihn mit ihnen. Im Gegenteil. Bei vielen besiegten Völkern entdeckten wir neue Götter oder neue Erscheinungsformen von uns bekannten Göttern, und wenn sie uns gefielen, brachten unsere Armeen Abbilder ihrer Statuen für uns mit zurück, die wir in unseren eigenen Tempeln aufstellten.
Des weiteren muß ich euch sagen, daß es durchaus Völker gab, bei denen es uns nie gelang, sie tributpflichtig zu machen oder ihnen die Lehnstreue abzuringen. So lag zum Beispiel im Osten an uns angrenzend Cuautexcàlan, das Land der Adlerklippen, von uns für gewöhnlich einfach Texcála genannt, Die Klippen. Aus irgendeinem unerfindlichen Grunde nennt ihr Spanier dieses Land Tlaxcála, was uns zum Lachen reizt, da es einfach »Fladen« bedeutet.
Texcála war vollkommen von Ländern umgeben, die mit uns Mexíca verbündet waren, weshalb es gezwungen wurde, ein Leben zu führen wie eine belagerte Insel. Aber die Texcála blieben hart wie Obsidian, wenn es darum ging, sich auch nur im geringsten zu unterwerfen, was immerhin bedeutete, daß sie von der Einfuhr vieler lebensnotwendiger Dinge abgeschnitten waren. Würden die Texcaltéca sich nicht, wenn auch noch so zähneknirschend, bereit gefunden haben, das Copáli-Harz mit uns zu tauschen, sie hätten
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