Der Azteke
mit jeder Hand ein paar Krebsscheren rasseln zu lassen. Glücklicherweise hielt wenigstens meine Schwester bei solchen Ereignissen die Familienehre hoch, war sie doch stets diejenige, welcher beim Tanzen die Soloparts übertragen wurden. Tzitzitlíni konnte auch ohne jede Musikbegleitung tanzen und die Zuschauer glauben machen, sehr wohl Musik zu hören.
Allmählich hatte ich das Gefühl, überhaupt niemand zu sein, oder aber so viele Personen auf einmal, daß ich nicht wußte, welche ich nun als die mir wirklich angemessene anerkennen sollte. Daheim war ich Mixtli gewesen, Wolke. Für alle anderen Xaltócaner war ich Tozàni, Maulwurf. Im Haus des Manierenlernens war ich Malinqui, Knoten. Und im Haus der Leibesstärkung wurde ich bald zu Poyaútla, Umnebelt.
Zu meinem Glück mangelte es mir an Körperkraft nicht gleichermaßen wie an Musikbegabung, denn ich hatte die Statur und Kraft meines Vaters geerbt. Mit vierzehn war ich größer als die Jungen in der Klasse zwei Jahre über mir. Vermutlich kann ja auch ein Stockblinder die Streck-, Sprung- und Gewichtshebungsübungen machen. Infolgedessen hatte unser Lehrmeister im Sport an meinen Leistungen nichts auszusetzen – bis wir zum Mannschaftssport übergingen.
Wäre beim Tlachtli-Spiel die Benutzung der Hände und Füße gestattet gewesen, hätte ich vielleicht besser gespielt, denn Hände und Füße bewegt man ja nahezu instinktiv. Doch darf bei diesem Spiel der harte Óli-Ball nur mit dem Knie, der Hüfte, dem Ellbogen und dem Gesäß getrieben werden, und wenn ich den Ball überhaupt sehen konnte, war er nur ein verschwommener Fleck, der für mich noch um so undeutlicher zu erkennen war, als er mit so großer Geschwindigkeit durch die Luft flog. Infolgedessen trug ich ständig blaue Flecken und Prellungen davon, obgleich wir Spieler Kopf und Hüftschützer sowie Ledermanschetten zum Schutz von Knie und Ellbogen trugen, und der Rest unseres Körpers durch dick mit Baumwolle gefütterte Steppanzüge geschützt wurde.
Aber schlimmer noch: nur selten gelang es mir, meine eigenen Mannschaftskameraden von den Spielern der gegnerischen Mannschaft zu unterscheiden. Wenn ich – was selten genug vorkam – den Ball einmal mit Knie oder Hüfte vorwärtstrieb, konnte es durchaus geschehen, daß ich ihn durch die falschen niedrigen Steinbögen schoß, jene kniehohen Tore, die den verzwickten Spielregeln zufolge am Ende des Ballplatzes ständig hin- und hergeschoben wurden. Den Ball durch einen der hoch an der Mittellinie der beiden Umfassungsmauern des Ballplatzes angebrachten Steinringe zu schießen – was in jedem Fall den sofortigen Sieg bedeutet hätte, egal, wie viele Tore die eine oder die andere Mannschaft bereits hatte erzielen können –, war fast ein Ding der Unmöglichkeit selbst für die erfahrensten Spieler und gelang äußerst selten und nicht einmal durch Zufall; für mich, Umnebelt, wäre es das reinste Wunder gewesen.
So dauerte es auch nicht lange, bis der Lehrmeister des Sports auf mich als Mitspieler verzichtete. Ich wurde Betreuer und hatte dafür zu sorgen, daß stets Wasserkrüge und Schöpfkellen sowie Dornstichel und Saugröhrchen bereitstanden, mit deren Hilfe der Heilkundige der Schule den Spielern die Steifheit nahm, indem er die Blutergüsse anstach und das Schwellungen verursachende schwarze Blut absaugte.
Dann kamen die Kriegsspiele und Waffenübungen unter der Aufsicht eines älteren und narbenbedeckten Cuachic, eines »alten Adlers«, wie voller Hochachtung jene genannt wurden, die ihre Kampftüchtigkeit bereits unter Beweis gestellt hatten. Sein Name lautete Extli-Quani oder Blut Schwelger, und er muß gut über vierzig gewesen sein. Bei diesen Kriegsspielen durften wir Jungen weder den Federschmuck noch die Farben oder andere prächtige und eindrucksvolle Abzeichen der echten Krieger anlegen. Wohl aber hatten wir zu unserer Größe passende Schilde aus Holz oder lederbezogenem Weidengeflecht. Die einheitliche Feldkleidung, die wir trugen, bestand aus dick gefütterten Baumwollanzügen, die noch zusätzlich in Salzlauge eingeweicht wurden, um sie fester zu machen, und sie bedeckte uns vom Hals bis zu den Arm- und Fußgelenken. Sie gewährten uns ein vernünftiges Maß an Bewegungsfreiheit und sollten uns vor Pfeilen schützen – jedenfalls zumindest vor den aus einiger Entfernung abgeschossenen-, aber ayya!, die war heiß, kratzte und brachte uns zum Schwitzen, wenn wir sie über einen längeren Zeitraum tragen mußten.
»Als
Weitere Kostenlose Bücher