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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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wiedergeben, wie ich sie mir später zusammenreimte, nachdem ich eure Sprache besser verstand.
    Da ich so tat, als sei ich ein Träger, konnte ich nur selten und heimlich meinen Topas benutzen, um die Dinge genauer zu betrachten, doch dieses waren die Dinge, welche ich zuerst sah. Wie man uns zu erwarten gesagt hatte, lag in der Bucht nur ein einziges Schiff. Es lag nicht weit vom Ufer entfernt, doch ganz offensichtlich war es tatsächlich so groß wie ein stattliches Haus. Die Flügel hatte es offensichtlich eingerollt, denn von seinem Dach ragten nur ein paar hohe Stangen auf, von welchen wiederum ein Gewirr von Tauen herunterhing. Hier und da ragten in der Bucht ähnliche Stangen aus dem Wasser, wo die anderen Schiffe gesunken waren, nachdem sie in Flammen aufgegangen waren. Am Strand der Bucht hatten die weißen Männer drei Zeichen errichtet, um die Stelle zu kennzeichnen, wo sie zum erstenmal den Fuß auf diesen Boden gesetzt hatten. Da war ein sehr großes Kreuz aus schweren Balken, welche von einem der versenkten Schiffe stammten. Außerdem war da ein hoher Flaggenmast mit einem gewaltigen Banner in den Farben des Blutes und des Goldes, den Farben Spaniens daran. Und noch ein kürzerer Flaggenmast mit einer kleineren Flagge daran, dem persönlichen Wimpel von Cortés. Blau und Weiß mit einem roten Kreuz in der Mitte.
    Der Ort, Wo Es Eine Fülle Schöner Dinge Gibt, den die weißen Männer Villa Rica de la Vera Cruz nannten, war zu einem ziemlich großen Dorf aufgeblüht. Etliche von den Häusern bestanden nur aus Tuchen, welche von Stäben getragen wurden, doch andere waren die typischen Küstenhütten aus Rohrwänden und mit Palmwedeldächern; diese Hütten waren von den unterwürfigen Totonáca-Gastgebern für die Besucher errichtet worden. Doch an jenem Tage waren nicht viele weiße Männer zu sehen – oder von ihren Tieren oder ihren Totonáca-Arbeitern, welche sie angefordert hatten –, denn die meisten von ihnen, so erfuhren wir später, arbeiteten an einem Ort ein wenig weiter im Norden, wo Cortés befohlen hatte, ein etwas dauerhafteres Villa Rica de la Vera Cruz zu bauen mit festen Häusern aus Holz und Stein und Lehmziegeln.
    Das Nahen unseres Zuges war selbstverständlich von den Schildwachen bemerkt und an die Spanier gemeldet worden. Infolgedessen wartete eine kleine Gruppe von ihnen darauf, uns zu begrüßen. Wir hielten in respektvoller Entfernung, und unsere vier Edelleute entzündeten – wie ich ihnen empfohlen hatte – Weihrauchgefäße mit Copáli-Weihrauch, schwenkten sie an Ketten und ließen blaue Rauchspiralen um sich entstehen. Die weißen Männer nahmen damals und noch auf lange Zeit hinaus – bis auf den heutigen Tag, soviel ich weiß – an, daß das Schwenken von duftendem Rauch unsere traditionelle Art sei, erlauchte Fremde zu begrüßen. Dabei war es von uns nur der Versuch, einen abwehrenden Schleier zwischen uns und dem unerträglichen Geruch dieser nie gewaschenen Fremden zu legen.
    Zwei von ihnen traten vor, um unsere Edelleute zu begrüßen. Ich schätzte sie beide auf rund fünfunddreißig Jahre. Sie waren wohlgekleidet und trugen, wie ich heute weiß, Samthüte und Umhänge, langärmelige Wämser und bauschige Pluderhosen aus Kammgarnstoff sowie kniehohe Stulpenstiefel. Einer der Männer war größer als ich, hatte breite Schultern, schien sehr muskulös und war überhaupt von sehr ansprechendem Äußeren. Er trug eine Fülle goldfarbenen Haars und einen Bart, der im Sonnenlicht flammte.
    Er hatte leuchtende blaue Augen, und wenn seine Haut selbstverständlich auch sehr blaß war, zeigte er doch kräftige Gesichtszüge. Die einheimischen Totonáca hatten ihm seines strahlenden Aussehens wegen bereits den Namen ihres Sonnengottes Tezcatlipóca gegeben. Wir Neuankömmlinge hielten ihn selbstverständlich für den Anführer der Fremden, erfuhren jedoch bald, daß er nur der stellvertretende Befehlshaber war und Pedro de Alvarado hieß.
    Der andere Mann war sehr viel kleiner und weit weniger beeindruckend. Er hatte krumme Beine und eine Hühnerbrust. Seine Haut war womöglich noch weißer als die des anderen, wiewohl er schwarze Haare und einen schwarzen Bart hatte. Seine Augen waren farblos und kalt und ausdruckslos wie ein Winterhimmel voller grauer Wolken. Diese wenig eindrucksvolle Person war, wie er uns großspurig sagte, der Capitán Don Hernán Cortés aus Medellin in der Estremadura, nachmals aus Santiago de Cuba, und er sei hier als Vertreter Seiner Majestät,

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