Der Azteke
beklagte sich niemand – nicht einmal die Frauen, denen befohlen wurde, sich zu ihnen zu legen – jemals über den schrecklichen Geruch, den sie ausströmten oder über die geierhaften Eßgewohnheiten oder darüber, daß sie niemals ihre schmutzigen Kleider oder Stiefel auszogen oder sich jemals badeten oder nicht einmal die Hände wuschen, wenn sie ihre Notdurft verrichtet hatten oder sich zum Essen niederließen. Vierzehn Tage lang führten die weißen Männer ein Leben, wie heldische Krieger es sich wohl in der besten der Gegenwelten erhoffen mögen. Es wurden ihnen zu Ehren Festmähler gegeben, sie durften nach Herzenslust Octli trinken und sich so sehr betrinken und liederlich benehmen, wie sie wollten, durften mit den ihnen zugewiesenen Frauen tun und lassen, was sie wollten und wurden mit Gesang und Musik und Tanz unterhalten. Und nach diesen vierzehn Tagen erhoben die weißen Männer sich und brachten jeden Mann, jede Frau und jedes Kind in Cholólan um.
Wir erhielten diese Nachricht in Tenochtítlan wahrscheinlich noch ehe der Rauch der Hakenbüchsen über der Stadt verflogen war, und zwar durch unsere Mäuse, welche aus Cortés' eigenen Reihen herein- und hervorschlüpften. Ihren Berichten zufolge war es auf Anstiften der Frau Malintzin zu diesem Massaker gekommen. Sie kam eines Nachts in das Gemach ihres Herrn im Palast von Cholólan, wo dieser Octli trank und sich mit etlichen Frauen vergnügte. Sie fuhr die Frauen an, sie sollten machen, daß sie hinauskämen, und warnte Cortés dann vor einer Verschwörung, die im Gange sei. Gehört habe sie davon, erklärte sie, als sie sich unter die einheimischen Frauen auf dem Markt gemischt und mit ihnen unterhalten habe; sie hätten sie in ihrer Arglosigkeit für eine Kriegsgefangene gehalten, welche nur darauf warte, aus der Gefangenschaft der Weißen Männer befreit zu werden. Der einzige Zweck, daß sie auf das üppigste bewirtet und unterhalten worden seien, sagte Malintzin, sei gewesen, sie einzulullen und zu schwächen, während Motecuzóma, insgeheim eine Streitmacht von zwanzigtausend Mexíca-Kriegern schicke, Cholóloan zu umzingeln. Auf ein bestimmtes Zeichen hin, sagte sie, würden die Mexíca über die Streitkräfte der draußen kampierenden Eingeborenen herfallen, während die Männer in der Stadt sich bewaffnen und auf die völlig überraschten weißen Männer stürzen sollten. Und, sagte sie, als sie herbeigeeilt sei, diesen Plan aufzudecken, habe sie auf dem Hauptplatz bereits unter Bannern Bürger sich versammeln sehen.
Cortés stob mit seinen Unterbefehlshabern, welche gleichfalls dort untergebracht worden waren, zum Palast heraus, und gemeinsam riefen sie durch ihr lautes »Santiago!« ihre Soldaten herbei, welche ihre Frauen und Becher in den Unterkünften fahren ließen und zu den Waffen griffen. Wie Malintzin gesagt hatte, fanden sie den Hauptplatz gestopft voll mit Menschen, von denen viele Federbanner, alle jedoch Zeremonialgewänder trugen, die vielleicht wie Kampfanzüge aussehen mochten. Diesen Menschen, die sich dort versammelt hatten, wurde keine Zeit gelassen, einen Kriegsschrei auszustoßen oder die Gäste zum Kampf herauszufordern – oder auf irgendeine andere Weise zu erklären, warum sie dort seien –, denn die weißen Männer feuerten augenblicklich ihre Waffen ab, und die Menge war so dicht, daß die erste Salve von Kugeln und Pfeilen und anderen Geschossen sie hinmähte wie Unkraut.
Als der Rauch ein wenig verflogen war, sahen die weißen Fremden, daß auf dem Platz nicht nur Männer, sondern auch Frauen und Kinder waren; vielleicht haben sie sich sogar gefragt, ob ihr vorschnelles Handeln überhaupt gerechtfertigt sei. Doch auf den Lärm ihrer Büchsen hin kamen die Texcaltéca und ihre anderen Verbündeten aus ihren Lagern in die Stadt. Sie waren es, welche die Stadt noch willkürlicher verwüsteten als die weißen Männer, die Bevölkerung unterschiedslos und erbarmungslos niedermachten und sogar die Herren Tlaquiach und Tlalchiac umbrachten. Ein paar von den Männern von Cholólan eilten tatsächlich zu den Waffen, um sich zu wehren, doch vvaren sie dermaßen in der Minderzahl und überdies auch noch eingeschlossen, daß sie nur ein Rückzugsgefecht liefern konnten, als sie sich die Hänge der berghohen Cholólaner Pyramide hinauf zurückzogen. Oben auf der Plattform lieferten sie ihren letzten Kampf und wurden zuletzt im großen Quetzalcóatl-Tempel eingeschlossen. Die Belagerer brauchten bloß Holz um den Tempel
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