Der Azteke
herum aufzuschichten, dieses in Brand zu setzen und die Verteidiger bei lebendigem Leibe zu verbrennen.
Das war vor nunmehr zwölf Jahren, ehrwürdige Patres. Der Tempel ging in Flammen auf, wurde geschleift und die Trümmer in alle Winde zerstreut. Es blieben nichts weiter als Bäume und Sträucher, weshalb so viele von euch einfach nicht haben glauben können, daß dieser Berg kein Berg ist, sondern eine vor langer Zeit von Menschenhand gebaute Pyramide. Selbstverständlich weiß ich, daß sie heute noch etwas anderes trägt als Bäume. Der Gipfel, von welchem Quetzalcóatl und seine Gläubigen in jener Nacht heruntergestürzt wurden, ist letzthin von einer christlichen Kirche gekrönt worden.
Als Cortés in Cholólan eintraf, zählte es eine Bevölkerung von einigen achttausend Menschen. Als er abzog, war die Stadt leer. Ich wiederhole, daß Motecuzóma mich in keinen seiner Pläne eingeweiht hatte. Es kann durchaus sein, daß in der Tat Mexíca-Truppen heimlich auf dem Vormarsch auf die Stadt waren und er den Bewohnern befohlen hatte, sich zu erheben, sobald die Falle zuschnappte. Gleichwohl bitte ich darum, Zweifel anmelden zu dürfen. Zu diesem Massaker kam es am ersten Tag unseres fünfzehnten Monds, genannt Panquetzaliztli, was soviel heißt wie Das Schwenken Der Federbanner, und das überall mit Zeremonien gefeiert wurde, bei denen die Menschen genau dies taten.
Möglich, daß die Frau Malintzin nie zuvor einem solchen Fest beigewohnt hatte. Vielleicht hat sie ehrlich geglaubt oder fälschlich angenommen, daß die Menschen sich unter Schlachtbannern versammelten. Möglich aber auch, daß sie die »Verschwörung« erfunden hat, vielleicht sogar aus Eifersucht auf die Aufmerksamkeiten, welche Cortés den Cholólaner Frauen schenkte. Doch ob nun auf Grund eines Mißverständnisses oder aus Bosheit – sie brachte Cortés jedenfalls dazu, Cholólan zur Wüste zu machen. Und wenn er das überhaupt jemals bedauert hat, dann jedenfalls nicht lange, denn es war seinem Glück womöglich noch förderlicher als selbst sein Sieg über die Texcaltéca. Ich habe bereits erwähnt, daß ich Cholólan besucht und die Menschen dort durchaus nicht besonders liebenswert gefunden habe. Für mich war es gleichgültig, ob die Stadt weiter bestand oder nicht, und ihre plötzliche Verwüstung verursachte mir keinen Kummer außer vielleicht insofern, als sie zu Cortés' immer furchterregenderem Ruf beitrug. Denn als die Nachricht vom Massaker in Cholólan durch Schnellboten in der gesamten Einen Welt verbreitet wurde, fingen die Häuptlinge und Herrscher vieler anderer Gemeinwesen an zu überlegen, welchen Verlauf die Ereignisse bis jetzt eigentlich genommen hatten, wobei sie zweifellos etwa folgendermaßen zu sich sprachen:
»Als erstes haben die weißen Männer Motecuzóma die Totonáca weggenommen. Dann besiegten sie Texcála, was weder Motecuzóma noch einer seiner Vorgänger jemals fertiggebracht hat. Dann vernichteten sie Motecuzómas Verbündeten in Cholólan und gaben keinen kleinen Finger auf Motecuzómas Zorn oder Vergeltung. Es scheint so auszusehen, als ob die weißen Männer mächtiger sind als selbst die großmächtigen Mexíca. Es könnte klug sein, sich jetzt auf die Seite des Stärkeren zu schlagen … solange wir dazu noch aus eigenem Willen in der Lage sind.«
Ein mächtiger Edelmann tat das ohne zu zögern: Kronprinz Ixtlil-Xochitl, von Rechts wegen eigentlich Herrscher der Acólhua. Motecuzóma muß bitter bereut haben, diesen Fürsten vor drei Jahren hinausgeworfen zu haben; denn er mußte erkennen, daß Schwarz Blume diese Jahre nicht einfach damit verbracht hatte, sich schmollend in seine Feste in den Bergen zurückzuziehen, sondern daß er Krieger um sich geschart hatte, um sich auf die Rückgewinnung des Throns von Texcóco vorzubereiten. Schwarz Blume muß die Ankunft von Cortés wie ein Göttergeschenk vorgekommen sein, welches gerade rechtzeitig eintraf, ihm zu helfen. Er kam aus seiner Bergfeste herunter in die verwüstete Stadt Cholólan, wo Cortés seine riesigen Heere neu ordnete, um den Marsch gen Westen fortzusetzen. Bei ihrer Begegnung hat Schwarz Blume Cortés ohne Zweifel gesagt, welche schändliche Behandlung und welches Unrecht ihm von Motecuzóma zuteil geworden sei, und Cortés soll ihm versprochen haben, es wieder gutzumachen. Auf jeden Fall war die nächste Hiobsbotschaft, welche in Tenochtítlan eintraf, daß Cortés' Streitmacht um den auf Rache sinnenden Prinzen Schwarz Blume und
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