Der Azteke
haben; er behauptete, nichts davon gewußt zu haben; er bezeichnete sie als »Verräter an uns beiden«; er pries Cortés für seine rasche und gründliche Ausrottung von Rebellen; und erklärte, er hoffe, dieses unselige Vorkommnis würde die erhoffte Freundschaft zwischen den weißen Männern und dem Dreibund nicht gefährden.
Ich finde es durchaus passend, daß Motecuzómas Botschaft von seiner Weiblichen Schlange überbracht wurde, denn sie war ein Meisterstück schlangenhafter Verschlagenheit. Denn weiterhin hieß es in ihr: »Falls jedoch Cholólans verruchter Verrat den Capitán-General und sein Gefolge davon abgebracht haben soll, noch weiter durch so gefahrvolle Lande und unberechenbare Völker vorzudringen, würden wir seinen Entschluß verstehen, umzukehren und nach Hause zurückzukehren, wiewohl wir aufrichtig bedauern, die Gelegenheit verpaßt zu haben, den tapferen Capitán-General Cortés von Angesicht zu Angesicht kennenzulernen. Falls Ihr uns daher nicht in unserer Hauptstadt besuchen werdet, bitten wir Mexíca Euch, diese Geschenke als kleinen Ersatz für unsere freundliche Umarmung zu betrachten und sie mit Eurem König Carlos zu teilen, wenn Ihr in Eure Heimat zurückgekehrt sein werdet.«
Später hörte ich, Cortés habe kaum an sich halten können, seine Belustigung nicht zu zeigen, als diese durchsichtig gewundene und von Wunschdenken zeugende Botschaft ihm von Malintzin gedolmetscht wurde und er laut nachsann: »Ich freue mich darauf, einen Mann mit zwei Gesichtern von Angesicht zu Angesicht kennenzulernen.« Doch Tlacotzin antwortete er:
»Ich danke Eurem Herrn für seine Sorge und für diese Entschädigungsgeschenke, welche ich im Namen von Seiner Majestät König Carlos dankbar entgegennehme. Gleichwohl«, und hier, so berichtete Tlacotzin, gähnte er, »die Schwierigkeiten, welche wir hier in Cholólan vor kurzem erlebt haben, waren ja nicht sonderlich groß.« Und jetzt lachte er rundheraus. »Im Verhältnis zu dem, was wir spanische Soldaten als Schwierigkeiten erachten, war dies nichts weiter als ein Flohbiß, bei dem man sich kratzt. Euer Gebieter kann unbesorgt sein, wir werden keineswegs in unserer Entschlossenheit nachlassen, unseren Weg fortzusetzen. Wir werden weiter gen Westen ziehen. O gewiß, es kann sein, daß wir den einen oder anderen Abstecher machen, um andere Städte und Völker zu besuchen, welche den Wunsch haben könnten, sich uns anzuschließen. Doch zuletzt wird unsere Reise uns ganz ohne jeden Zweifel nach Tenochtítlan führen. Ihr könnt Eurem Gebieter unser feierliches Versprechen überbringen, daß wir ihn kennenlernen werden.« Er lachte nochmals. »Von Angesicht zu Angesicht zu Angesicht.«
Selbstverständlich hatte Motecuzóma die Möglichkeit vorhergesehen, daß die Eindringlinge sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen lassen würden und hatte seiner Weiblichen Schlange befohlen, noch eine allerletzte Windung zu vollführen.
»In diesem Falle«, sagte Tlácotzin, »würde unser Verehrter Sprecher sich freuen, wenn der Capitán-General seine Ankunft nicht länger hinauszögerte.« Was nichts anderes bedeutete, als daß Motecuzóma ihn nicht unter den aufmuckenden tributpflichtigen Völkern umherziehen lassen und zusehen wollte, wie er sie auf seine Seite zog. »Der Verehrte Sprecher meint, in diesen unwirtlichen und primitiven äußeren Provinzen könntet Ihr nur den Eindruck gewinnen, daß unser Volk barbarisch und unzivilisiert sei. Es ist sein größter Wunsch, daß Ihr den Glanz und die Pracht seiner Hauptstadt seht, auf daß Ihr den wahren Wert und die wahren Fähigkeiten unseres Volkes erkennt. Er fordert Euch dringlich auf, jetzt ungesäumt nach Tenochtítlan zu kommen. Ich werde Euch dorthin führen, mein Herr. Und da ich Tlácotzin bin, welcher gleich nach dem Herrscher der Mexíca kommt, wird Euch meine Anwesenheit Gewähr dafür sein, daß Ihr von keinem anderen Volke Trug oder Hinterhalt zu gewärtigen habt.«
Cortés vollführte eine weit ausholende Geste, welche die rings um Cholólan aufgestellten und wartenden Truppen umfaßte. »Ich mache mir keine allzu großen Sorgen um Trug und Hinterhalt, Freund Tlácotzin«, erklärte er anzüglich. »Gleichwohl nehme ich die Einladung Eures Herrn in die Hauptstadt an und Euer freundliches Anerbieten, uns dorthin zu führen. Wir sind bereit loszumarschieren, sobald Ihr bereit seid.«
Es stimmt, Cortés hatte kaum einen offenen oder heimtückischen Angriff zu fürchten, und er war auch keineswegs
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