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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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zu werden scheinen … oder auch nur erwachsen.«
    Auf diese Weise tat sie die Angelegenheit leicht ab, und es dauerte eine ganze Weile, ehe ich erkannte, daß sie die ersten Symptome einer Krankheit aufwies, die sie nach und nach auf das Krankenlager warf, welches sie seither seit Jahren nicht mehr verlassen hat. Béu beklagte sich nie, daß es ihr schlecht gehe, forderte nie irgendwelche Aufmerksamkeit von mir, doch schenkte ich sie ihr trotzdem, und wiewohl wir wenig miteinander sprachen, merkte ich, daß sie dankbar dafür war. Als unsere betagte Dienerin Türkis starb, kaufte ich zwei jüngere Frauen – eine für den Haushalt und eine, welche sich ausschließlich um Béus Bedürfnisse und Wünsche kümmern sollte. Da ich es viele, viele Jahre hindurch gewohnt gewesen war, nach Türkis zu rufen, wann immer ich irgendwelche den Haushalt betreffenden Befehle erteilen wollte, brachte ich es nicht fertig, mit dieser Gewohnheit zu brechen; ich rief die beiden Frauen in gleicher Weise Türkis, sie gewöhnten sich daran, und so kann ich mich bis auf den heutigen Tag nicht erinnern, wie sie wirklich hießen.
    Vielleicht hatte ich unbewußt etwas von der Verachtung der weißen Männer für Namen und richtiges Sprechen übernommen. Im Laufe der fast ein halbes Jahr währenden Zeit, da die Spanier in Tenochtítlan weilten, machte keiner von ihnen auch nur die geringsten Anstrengungen, unser Náhuatl oder die Grundlage seiner Aussprache zu lernen. Der eine Mensch unserer Rasse, mit dem sie sehr eng verbunden waren, war die Frau, welche sich selbst Malintzin nannte, doch selbst ihr Gefährte, Cortés, sprach diesen angenommenen Namen unweigerlich falsch Malinche aus. Nach und nach taten das alle unsere eigenen Leute, entweder in höflicher Nachahmung der Spanier oder boshaft, um ihre Verachtung für die Frau zum Ausdruck zu bringen. Denn Malintzin pflegte jedesmal mit den Zähnen zu knirschen, wenn sie Malinche gerufen wurde – weil dadurch ihr Adelsprädikat – tzin verloren ging –, doch konnte sie sich kaum über Mangel an Ehrerbietung beklagen, ohne dadurch gleichzeitig die schlampige Aussprache ihres eigenen Herrn und Meisters zu kritisieren.
    Doch wie dem auch sei, Cortés und seine Männer machten darin keinerlei Unterschiede, denn sie sprachen auch die Namen eines jeden anderen falsch aus. Da es den sanften sh-Laut des Náhuatl im Spanischen nicht gibt, wurden wir Mexíca lange Zeit hindurch entweder Mes-síca oder Mec-síca genannt. Gleichwohl habt ihr Spanier in letzter Zeit geruht, uns unseren älteren Namen zu geben, weil es euch offenbar leichter fiel, uns Azteken zu nennen. Da Cortés und seine Männer den Namen Motecuzóma offenbar unbeholfen fanden, machten sie daraus Montezuma, und ich glaube, sie waren aufrichtig der Meinung, damit nichts Unhöfliches zu tun, da der neue Name ihr eigenes Wort für »Berg« enthielt, was immerhin noch als ein Hinweis auf Größe und Bedeutung gelten konnte. Mit dem Namen unseres Kriegsgottes Huitzilopóchtli kamen sie genausowenig zurecht, haßten diesen Gott aber ohnehin, und so wurde daraus Huichilobos, ein Name, in dem ihr eigenes Wort für ein Tier enthalten war, das »Wolf« heißt.

    Nun, der Winter verging, der Frühling kam, und mit dem Frühling mehr weiße Männer. Motecuzóma erfuhr dies von Cortés, doch eigentlich nur nebenbei und durch Zufall. Einer von seinen Quimíchime-Mäusen, die noch immer im Totonáca-Land stationiert waren, war es langweilig geworden und war aus diesem Grund ein gutes Stück weiter nach Süden gewandert, als sie eigentlich gedurft hätte. So war es gekommen, daß die Maus nicht weit vom Strand eine ganze Flotte von Schiffen mit weit ausgespannten Flügeln gesichtet hatte, welche an der Küste nach Norden gefahren war und in Buchten und Flußmündungen gehalten hatte – »als hielten sie Ausschau nach ihren Kameraden«, wie die Quimichi berichtete, als sie mit einem Borkenpapier in der Hand nach Tenochtítlan gelaufen kam, auf welches sie ein Bild gezeichnet hatte, aus dem hervorging, um wie viele Schiffe es sich handelte.
    Ich, andere Edelleute und der gesamte Staatsrat waren im Thronsaal anwesend, als Motecuzóma einen Pagen schickte, den noch ahnungslosen Cortés herbeizuholen. Der Verehrte Sprecher, welcher die Gelegenheit nutzte, um so zu tun, als sei er allwissend, brachte ihm die Neuigkeit bei, und ich dolmetschte bei dieser Gelegenheit folgendermaßen:
    »Capitán-General, Euer König hat Euer Botenschiff sowie Euren ersten

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