Der Azteke
kleinsten. Außer den Seeleuten, welche sie bedienten, war jedes noch mit zwanzig spanischen Soldaten bemannt, welche auf Brettern hinter den hohen Bordwänden standen. So hatten sie den bedeutsamen Vorteil, bei jedem Wassergefecht hoch über unseren niedrigen Kanus aufzuragen, ja, so hoch, daß sie ihre Waffen sogar über unsere Dammstraßen hinweg abfeuern konnten.
An dem Tag, da sie ihre Probefahrt von Texcóco aus in den See unternahmen, stand Cortés selbst an Bord des Anführerschiffes, welches La Capitana hieß. Eine Anzahl unserer größten Kriegs-Kanus verließ Tenochtítlan durch die Lücken in dem großen Damm, um sie draußen auf dem freien See zum Kampf herauszufordern. In jedem Kanu saßen sechzig Krieger, jeder mit einem Bogen und vielen Pfeilen bewaffnet, einem Atlatl und mehreren Wurfspießen. Doch bei dem recht bewegten Wasser bildeten die schwereren Fahrzeuge der weißen Männer eine viel stabilere Plattform, ihre Geschosse davon abzufeuern, so daß sie mit ihren Hakenbüchsen und Armbrüsten eine größere Zielgenauigkeit erreichten als unsere Männer mit den freihändig gehaltenen Bogen. Außerdem brauchten ihre Soldaten nur ihren Kopf, ihre Arme und ihre Waffen herauszustecken und blieben unsere Pfeile in den hohen Bordwänden stecken oder flogen, ohne Schaden anzurichten, über sie hinweg. Unsere Männer in den niedrigen, offenen Kanus hingegen waren ihren Pfeilen und Metallkugeln schutzlos ausgesetzt, und viele von ihnen fielen oder wurden verwundet. So versuchten die Steuermänner der Kanus verzweifelt, sich in sicherer Entfernung von den Booten der Weißen zu halten, zu weit, als daß unsere Männer ihre Wurfspieße hätten schleudern können. Es dauerte nicht lange, und alle unsere Kriegskanus kehrten schmählich zurück, und die feindlichen Fahrzeuge nahmen überheblich Abstand davon, sie zu verfolgen. Eine Zeitlang tanzten sie fast fröhlich auf dem Wasser, kreuzten und fuhren allerlei Manöver, als ob sie uns zeigen wollten, daß der See ihnen gehöre, ehe sie dann nach Texcóco zurückkehrten. Am nächsten Tag waren sie jedoch wieder draußen, jeden Tag von nun an, und sie taten mehr als nur tanzen.
Inzwischen hatten Cortés' Unterbefehlshaber und ihre verschiedenen Truppen den ganzen Seenbezirk umrundet und jedes Gemeinwesen zerstört oder besetzt, das auf ihrem Weg lag, bis sie sich um diese Zeit zu zwei stattlichen Heeresgruppen vereint hatten, welche auf den vorspringenden Landkeilen nördlich und südlich unserer Insel Stellung bezogen. Sie mußten nur noch die größeren und zahlenmäßig stärkeren Städte am Westufer des Sees zerstören oder unterwerfen; dann hatten sie Tenochtitlan vollständig umzingelt.
Dabei ließen sie sich viel Zeit. Während die andere Hälfte von Cortés Heer sich in Texcóco ausruhte von ihrer unglaublichen Arbeit, die auseinandergenommenen Kriegsboote Überland zu transportieren, kreuzten diese Boote selbst auf der gesamten Fläche des Texcóco-Sees östlich des Großen Damms, so daß kein anderes Kanu sich mehr hinauswagen konnte. Sie rammten oder brachten die Kanus zum Kentern, oder sie töteten die Insassen eines jeden Kanus, welches diese Gewässer befuhr. Und das waren keineswegs Kriegskanus, sondern vielmehr die Acáltin der Fischer und Vogelsteller sowie Frachtkähne, welche friedlich Waren von einem Ort zum anderen brachten. Sehr bald gehörte den geflügelten Kriegsboten dieser Teil des Sees tatsächlich. Kein Fischer wagte es mehr hinauszufahren, nicht einmal, um die Netze für seine eigene Familie auszulegen. Nur auf unserem Teil des Sees, innerhalb des Großen Damms, konnte der normale Verkehr auf dem Wasser weitergehen, doch auch das sollte nicht lange so bleiben.
Endlich holte Cortés sein ausgeruhtes Reserveheer aus Texcóco heraus und teilte es in zwei gleiche Teile, die unabhängig voneinander um den See marschierten, um sich den anderen, nördlich und südlich von uns postierten Truppen anzuschließen. Und während das geschah, schlugen die Kriegsboote Breschen in den Großen Damm. Ihre Soldaten brauchten nur die gesamte Länge des Dammes mit ihren Hakenbüchsen und Armbrüsten zu bestreichen und sämtliche unbewaffneten Dammarbeiter zu töten oder vertreiben, welche die Schutzschleusen gegen die Überflutung hätten schließen können, um sie daran zu hindern. Dann glitten die Boote durch diese Durchgänge und befanden sich in Mexíca-Gewässern. Wiewohl Cuautémoc sofort Krieger ausschickte, die sich Schulter an Schulter die
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