Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
Vom Netzwerk:
noch reich wurde. Ach, wie viele Listen ich mir ausdachte, um ein paar erbärmliche Handelsgüter in ein riesiges Vermögen zu verwandeln, himmelstürmende Pläne, von denen ich überzeugt war, daß kein Händler vor mir jemals darauf gekommen war. Das einzige, was einem sicheren Erfolg im Wege stand – wie Tzitzi mir sehr deutlich machte, als ich ihr einige meiner Gedanken anvertraute –, war, daß mir selbst das geringfügige bißchen Kapital fehlte, welches ich, wie ich annahm, brauchte, um überhaupt einen Anfang machen zu können.
    Und dann kam eines Nachmittags, nachdem ich meine Arbeit getan hatte, einer von Herrn Rot Reihers Boten an unsere Haustür. Er trug einen Mantel von nichtssagender Farbe, welcher weder gute noch schlechte Nachrichten verhieß, und begrüßte meinen Vater mit einem höflichen »Mixpantzinco«.
    »Ximopanólti«, erwiderte mein Vater und forderte ihn durch eine Handbewegung auf einzutreten.
    Der junge Mann, welcher ungefähr in meinem Alter stand, trat nur einen einzigen Schritt herein und sagte: »Der Tecútli Tlauquécholtzin, unser gemeinsamer Gebieter, befiehlt, daß Euer Sohn Chicóme-Xochitl Tliléctic-Mixtli sich augenblicklich im Palast einfinde.«
    Mein Vater und meine Schwester machten ein ebenso erstauntes wie erschrockenes Gesicht – und ich, wie ich annehme, nicht minder. Meine Mutter hingegen nicht. Sie brach augenblicklich in laute Klagen aus: »Yya ayya, ich hab's gewußt, daß der Junge eines Tages die Edelleute oder die Götter beleidigen würde oder …« Sie hielt inne und fragte den Boten: »Was hat Mixtli angestellt? Der Herr Rot Reiher braucht sich nicht die Mühe zu machen, ihn auszupeitschen oder die Strafe, die sonst verhängt worden ist, auszuführen. Wir werden das gern übernehmen.«
    »Ich wüßte nicht, daß irgend jemand irgend etwas getan hätte«, erklärte der Bote. »Ich führe nur meinen Auftrag aus. Ihn unverzüglich hinzubringen.«
    Und ich begleitete ihn unverzüglich. Was immer mich im Palast auch erwarten mochte, es war mir lieber als alles, was meine Mutter sich an Gemeinheiten ausdenken konnte. Neugierig war ich, gewiß, aber mir fiel beim besten Willen nichts ein, weshalb ich hätte zittern sollen. Wäre eine solche Aufforderung früher gekommen, ich hätte befürchtet, daß der niederträchtige Pactli sich irgend etwas ausgedacht haben würde, mich anzuschwärzen. Doch der junge Herr Freude hatte schon vor zwei oder drei Jahren eine Tenochtítlaner Calmécac bezogen, die nur hochadlige Sprößlinge aufnahm, welche später selbst einmal Herrscher werden sollten. In dieser ganzen Zeit war Pactli nur während der Ferien nach Xaltocan zurückgekommen, und während dieser Aufenthalte hatte er unserem Hause immer nur dann Besuche abgestattet, wenn ich nicht dagewesen war; infolgedessen hatte ich ihn nicht mehr gesehen, seit wir Götterauswurf kurz miteinander geteilt hatten.
    Der Bote hielt sich respektvoll ein paar Schritte hinter mir, als wir den Thronsaal des Palastes betraten und ich mich auf die Knie niederließ, um die Geste des Erdeküssens zu vollführen. Neben Herrn Rot Reiher saß ein Mann, den ich nie zuvor auf der Insel gesehen hatte. Und wenngleich der Fremde – wie es sich geziemte – auf einem niedrigeren Stuhl saß, tat er doch dem Hauch von Gewichtigkeit, welchen unser Tecútli für gewöhnlich ausstrahlte, beträchtlichen Abbruch. Selbst mit meiner Maulwurfskurzsichtigkeit konnte ich erkennen, daß er einen glänzenden Federumhang und einen so reichen Schmuck trug, wie ihn kein Edelmann auf Xaltocan besaß.
    Rot Reiher sagte zu seinem Besucher: »Der Auftrag lautete: einen Mann aus ihm zu machen. Nun, unsere Häuser der Leibesstärkung und des Manierenlernens haben getan, was sie konnten. Dies hier ist er.«
    »Man hat mich ersucht, ihn auf die Probe zu stellen«, sagte der Fremde. Er zog eine kleine Rolle Borkenpapier hervor und reichte sie mir.
    »Mixpantzinco«, begrüßte ich die beiden Adligen, ehe ich die Rolle entrollte. Es stand nichts darauf, worin ich eine Prüfung hätte erkennen können – nichts weiter als eine einzelne Reihe von Wort-Bildern, und die kannte ich alle.
    »Du verstehst sie zu lesen?« erkundigte sich der Fremde.
    »Ach ja, das vergaß ich zu erwähnen«, erklärte Rot Reiher, als hätte er selbst es mich gelehrt. »Mixtli kann mit einigem Verständnis ein paar einfache Dinge lesen.«
    Ich sagte: »Ich kann dies lesen, meine Herren. Es heißt …«
    »Lassen wir das«, fiel mir der Fremde in die

Weitere Kostenlose Bücher