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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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diene all den jungen Herren in den sechs Wohnungen an diesem Ende des Korridors.«
    Cozcatl bedeutet »Juwelenbesetztes Halsband«, war also ein recht hochtrabender Name für jemand wie ihn, doch lachte ich nicht darüber. Da ein namengebender Tonalpóqui sich niemals herablassen würde, seine Seherbücher für ein Sklavenkind zu befragen, selbst wenn die Eltern es sich leisten könnten, besaß ein solches Kind niemals einen richtig eingetragenen Namen. Er oder seine Eltern wählten einfach nach Lust und Laune selber einen aus, und damit konnten sie manchmal weit danebenliegen, wie etwa im Falle von Göttergeschenk. Cozcatl schien wohlgenährt und wies keinerlei Striemen von Schlägen auf, auch gab er sich mir gegenüber nicht kriecherisch und trug neben dem sonst für einen männlichen Sklaven üblichen Schamtuch noch einen kurzen, makellos weißen Umhang. Infolgedessen nahm ich an, daß die niederen Schichten bei den Acólhua oder zumindest im Palastbereich einigermaßen anständig behandelt wurden.
    Der Junge schleppte einen gewaltigen Tonkrug mit dampfend heißem Wasser herbei, und so trat ich rasch beiseite, woraufhin er ihn ins Badezimmer hinübertrug und das Wasser in das eingelassene Becken hineingoß. Auch ersparte er mir die Demütigung, ihn zu bitten, mir zu zeigen, wie die Badestubeneinrichtungen funktionierten. Selbst wenn Cozcatl mich für einen Edelmann gehalten haben würde, hätte er nicht unbedingt annehmen müssen, daß auch ein Adliger aus der Provinz mit derlei Luxus vertraut sei – und damit hätte er recht gehabt. Ohne darauf zu warten, daß er gefragt wurde, erklärte er:
    »Das Badewasser könnt Ihr auf diese Weise abkühlen, wie Ihr es gern habt, Herr.« Er zeigte auf das Tonrohr, das aus der Mauer hervorkam. Kurz vor dem Ende war dieses Rohr von einem kürzeren Rohr durchbohrt, welches er jetzt nur ein wenig drehte, woraufhin klares kaltes Wasser daraus hervorsprudelte.
    »Das lange Rohr bringt Wasser von unserer Hauptleitung hierher. Das kurze Rohr weist in der Seite ein Loch auf, und wenn Ihr es dreht, so daß diese Öffnung in das lange Rohr hineinzeigt, kann das Wasser fließen, wie man es braucht. Wenn Ihr mit Eurem Bad fertig seid, braucht ihr nur den Óli-Stopfen auf dem Boden herauszuziehen, und das Wasser fließt durch ein weiteres Rohr darunter ab.«
    Danach zeigte er auf das seltsamerweise feststehende Toilettenbecken und sagte: »Das Axixcáli funktioniert genauso. Wenn Ihr Eure Notdurft verrichtet habt, dreht einfach am kurzen Rohr darüber, und ein kräftiger Wasserstrahl spült alles durch ein Loch im Boden fort.«
    Dieses Loch war mir zuvor nicht einmal aufgefallen, und so fragte ich entsetzt und erschrocken: »Dann fällt der Kot in den darunterliegenden Raum?«
    »Nein, nein, Herr. Wie das Badewasser in ein Rohr, durch welches es fortgeschwemmt wird. In einen Teich, aus dem die Dungmänner den Dünger für die Äcker herausschaufeln. Jetzt werde ich dafür sorgen, daß das Abendessen des Herrn bereitet wird, damit es bereitsteht, wenn Ihr Euer Bad genommen habt.«
    Am Morgen nach meiner Ankunft kam der Sklave Cozcatl mit meinem Frühstück und einem Armvoll neuer Kleider für mich – mehr Kleider, als ich in meinem bisherigen Leben jemals getragen und aufgetragen hatte. Da waren Schamtücher und Umhänge aus schimmernder, schön bestickter weißer Baumwolle. Da waren Sandalen aus unterschiedlichem geschmeidigem Leder, darunter ein Paar vergoldete, die ausschließlich bei Zeremonien getragen und fast bis zum Knie hinauf geschnürt wurden. Die Dame von Tolan ließ mir sogar eine kleine Schnalle aus Gold und Heliotrop schicken für meinen Umhang, den ich bis dahin immer nur über der Schulter verknotet hatte.
    Nachdem ich eines dieser eleganten Gewänder angelegt hatte, führte Cozcatl mich noch einmal durch das Palastgelände und zeigte mir die Gebäude, in denen die Unterrichtsräume lagen. Es standen mehr Lerngruppen zur Verfügung als in jeder Calmécac. Am brennendsten interessierte ich mich selbstverständlich für jene, in denen Wortkunde, Geschichte, Geographie und dergleichen betrieben wurde. Sofern mich die Lust dazu überkam, konnte ich genausogut solche besuchen, in denen Poesie, Gold- und Silberschmiedearbeiten, Federarbeiten, Steinschneiden und etliche andere Künste gelehrt wurden.
    »Unterricht, zu dem man weder Gerät noch Sitzgelegenheit braucht, wird nur bei schlechtem Wetter drinnen erteilt«, sagte mein kleiner Führer. »An schönen Tagen wie diesem

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