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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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waren die Culhua. Danach kamen die Acólhua, deine und meine Vorfahren, Poyetzin. Hinterher all die anderen, die sich um den See herum niederließen: die Tecpanéca, die Xochimilca und so fort. Damals wie heute gaben sie sich unterschiedliche Namen, und nur die Götter wissen, woher sie ursprünglich stammen; dennoch sprachen all die umherschweifenden Volksstämme, die hierherzogen, irgendeinen Dialekt der Náhuatl-Sprache. Und hier, im Becken des Sees, lernten sie von den Abkommen der Toltéca kennen, was von den uralten Künsten und Fertigkeiten der Toltéca noch am Leben geblieben war.«
    »All das kann sich aber nicht an einem Tag vollzogen haben«, sagte ich. »Ja, nicht einmal in einem Schock Jahre.«
    »Nein, vielleicht nicht einmal in vielen Schock Jahre«, bestätigte Neltitica. »Doch wo das Lernen nur auf flüchtigen Hinweisen beruht und sich aufgrund von Versuchen und Irrtümern vollzieht und dadurch, daß man Dinge, die erhalten geblieben sind, nachahmt – nun, je mehr Menschen an diesem Lernprozeß beteiligt sind, desto schneller verbreitet sich das Wissen dann bei allen. Glücklicherweise vermochten all die Culhua, Acólhua und Tecpanéca sich in einer gemeinsamen Sprache zu verständigen und arbeiteten sie alle Hand in Hand. Die weniger hochstehenden Völker wurden von ihnen aus diesem Gebiet vertrieben. Die Purémpecha zogen nach Westen, die Otomi und die Chichiméca nach Norden. Nur die Nahuatl sprechenden Völker blieben hier und nahmen ungefähr in gleicher Weise an Wissen und Können zu. Erst nachdem diese Volksstämme sich ein gewisses Maß an Kultur angeeignet hatten, hörten sie auf, sich gegenseitig zu unterstützen und versuchten, die Oberhand über die anderen zu gewinnen. Und das war der Augenblick, da die noch von keiner Kultur veredelten Aztéca hier eintrafen.«
    Unser Meister richtete seine Augen auf mich.
    »Die Aztéca oder Mexíca ließen sich inmitten einer bereits recht entwickelten Gesellschaft nieder – einer Gesellschaft freilich, die nach und nach in miteinander rivalisierende Gruppen auseinanderbrach. Und den Mexíca gelang es, sich solange am Leben zu erhalten, bis Coxcox von den Culhua sich herabließ, einen seiner Edelleute, Acamapichtli, zu ihrem ersten Verehrten Sprecher zu ernennen. Acamapichtli führte sie in die Kunst der Wortkunde ein und machte sie dann mit all dem anderen Wissen bekannt, welches von den bereits länger hier ansässigen Völkern gemeinsam gerettet worden war. Die Mexíca erwiesen sich als sehr lernbegierig, und was sie mit ihrem neu erworbenen Wissen anfingen, wissen wir ja. Sie spielten die miteinander rivalisierenden Gruppen in diesem Lande gegeneinander aus, ließen ihre Unterstützung mal diesen, mal jenen zuteil werden, bis sie selbst zuletzt die militärische Überlegenheit über alle anderen erlangt hatten.«
    Der kleine Poyec bedachte mich mit einem Blick, als wäre ich verantwortlich für die Aggressivität meiner Vorfahren, doch Neltitica fuhr mit der Leidenschaftslosigkeit des objektiven Gelehrten fort zu sprechen:
    »Wir wissen, in welchem Maße die Mexíca seither aufgeblüht und reich geworden sind. Was Reichtum und Einfluß betrifft, haben sie jene anderen Völker, die einst die Nase über sie rümpften, weil sie sie für bedeutungslos hielten, weit hinter sich gelassen. Ihr Tenochtítlan ist zur reichsten und üppigsten Stadt geworden, die seit den Toltéca gebaut worden ist. Obwohl man in Der Einen Welt unzählige Sprachen spricht, haben die im ganzen Land umherziehenden Heere der Mexíca unser Nahuatl zur zweiten Sprache aller Völker zwischen den Wüsten im Norden und den Dschungeln im Süden gemacht.«
    Er muß die Spur eines selbstgefälligen Lächelns auf meinem Gesicht gesehen haben, denn unser Meister schloß mit den Worten:
    »Alles, was sie in dieser Beziehung erreicht haben, sollte, wie ich meine, genug sein, damit großzutun, doch hat ihnen das zur Selbstverherrlichung nicht genügt. Sie haben die Geschichtsbücher neu und umgeschrieben in dem Versuch, sich und andere davon zu überzeugen, daß sie von jeher das führende Volk in dieser Weltgegend gewesen sind. Mögen die Mexíca sich selbst und vielleicht auch Historikern vieler kommender Generationen etwas vormachen – ich glaube, ich habe hinreichend dargelegt, daß die Mexíca, die sich so vieles angemaßt haben, nicht die wiederauferstandenen großen Toltéca sind.«
    Die Dame von Tolan lud mich auf eine Schale Schokolade in ihre Gemächer, und ich – eine

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