Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
erwartet.«
Kurz nach 17 . 00 Uhr ging beim BKA die Meldung ein, der mutmaßliche Terrorist Knut Folkerts sei der Polizei in Utrecht nach einer Schießerei ins Netz gegangen. Ein niederländischer Polizeibeamter war dabei getötet worden, zwei weitere hatten schwere Verletzungen erlitten.
Der Beamte Georg Pohl wurde nach Holland geschickt, mit dem Auftrag, Folkerts ein Angebot zu machen: »Eine neue Identität, eine Million D-Mark und die Aussicht, in die Vereinigten Staaten auszuwandern. Keine Reaktion, er würdigte mich keiner Antwort.«
Folkerts bestätigte das später, hatte aber noch etwas hinzuzufügen: »Man hat mir damals während der Schleyer-Entführung eine Million Mark angeboten und freie Ausreise. Die andere Hälfte dieses Angebots bestand darin, daß man mir mit Aufhängen gedroht hat.« Was der BKA -Beamte natürlich bestreitet.
Nachtdienstmeldung Stammheim, 22 . September:
» 20 . 20 Uhr Baader verlangt Optipyrin.
23 . 05 Uhr Baader und Raspe erhalten vom Sani Medikamente.«
21. Ruhe
(Freitag, 23 . September 1977 )
Der Bundesgerichtshof wies die Beschwerde von sieben Häftlingen gegen die Kontaktsperre zurück.
Die Entführer meldeten sich nicht.
Nachtdienstmeldung Stammheim, 23 . September:
»Medikamente ausgegeben an Raspe, Baader gegen 23 . 25 Uhr.
Eine Dolviran an Baader ausgegeben um 2 . 15 Uhr.
Sonst keine Vorkommnisse.«
22. Fahndungsmaßnahmen
(Samstag, 24 . September 1977 )
Gegen Mittag rief einer der Entführer in der Kanzlei Payots an: »Wir fragen uns nur, wie lange Rechtsanwalt Payot das Spiel mitspielen will, und wir haben langsam keine Zeit und keine Lust mehr, das mitzuspielen. Ende.«
Das Bundeskriminalamt wartete auf Anrufe bei Payot. Die Kanzlei wurde nämlich abgehört.
Zusätzlich hatte das BKA Fangschaltungen eingerichtet, um festzustellen, von wo man den Schweizer Anwalt anrief. Zwischen dem 6 . und dem 17 . September, während Schleyer in der Wohnung Zum Renngraben 8 in Erftstadt gefangengehalten wurde, hatte die Polizei 36 Anrufe der Entführer registriert. Vierzehn davon gingen allein bei Payot ein.
Weil aus Rücksicht auf das Leben Schleyers öffentliche Fahndungsmaßnahmen weitgehend unterblieben, versuchten die Fahnder, in das Kommunikationssystem der Entführer einzudringen. Dazu schalteten sie das Bundesamt für Verfassungsschutz ein, das über mehr Erfahrungen in solchen Dingen verfügte als das BKA .
Im Fernmeldehochhaus Frankfurt wurden damals über den sogenannten Stern täglich 600 000 bis 800 000 Auslandsgespräche in 102 Länder vermittelt, davon allein 15 000 bis 16 000 in die Schweiz. Fast alle diese Verbindungen wurden automatisch geschaltet.
Das Bundeskriminalamt vermutete, die Entführer und ihr Opfer seien immer noch im Raum Köln, und ließ alle von dort ausgehenden Auslandsgespräche über den Stern Frankfurt schalten. Dort hatte man – mit Hilfe des Bundesnachrichtendienstes – die Nummer des Anwalts Payot einprogrammiert. So wurde automatisch registriert, von welchem Anschluß aus Payot angerufen wurde.
Fast hundert Fernmeldetechniker wurden dafür im Schichtdienst in das Fernmeldehochhaus Frankfurt abkommandiert, um die Apparate abzulesen.
Die aufwendige Operation ergab, daß alle Anrufe bei Payot aus öffentlichen Telefonzellen erfolgt waren, die meisten davon standen im Kölner Bahnhofsviertel. Wenn die Polizei – unauffällig – an den entsprechenden Telefonzellen auftauchte, war der Anrufer verschwunden.
Auch vom Pariser Bahnhof Gare du Nord war mehrmals bei Payot angerufen worden. Das hatte das BKA von französischen Behörden erfahren. Außerdem waren von den über hundert Briefen der Entführer während der sechswöchigen Gefangenschaft Schleyers mindestens vierzehn aus Paris abgeschickt worden. Die Briefmarken darauf, so stellten die Ermittler fest, waren immer aus demselben Automaten am Gare du Nord gezogen worden. Der Speichel, mit dem die Marken angefeuchtet worden waren, stammte immer von derselben Person.
Um der Person vom Gare du Nord auf die Spur zu kommen, wurden alle Reisenden zwischen 20 und 35 Jahren, die in den zahlreichen, täglich zwischen Köln und Paris verkehrenden Zügen saßen, besonders überprüft.
Inzwischen kannte die Polizei den Empfängerkreis der Entführerbriefe, hauptsächlich Zeitungsredaktionen, Rundfunkanstalten, Nachrichtenagenturen sowie bestimmte Privatleute, wie Eberhard von Brauchitsch. Alle Briefe trugen den Vermerk: »Eilt –
Weitere Kostenlose Bücher