Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
zwar nicht mehr, was innen ist, aber im Durchleuchtungsgerät erscheint das wie ein schwarzes Loch.« Ob Boock nicht eine bessere Idee habe.
»Waffen?« fragte Boock. »Waffen können alles mögliche sein. Sollen die eine reale Bedeutung haben oder nur zur Bedrohung da sein?«
Abu Hani überlegte einen Augenblick. »Eigentlich müßten sie nur dazu dasein, die Sache unter Kontrolle zu bringen, zu drohen. Wenn die real eingesetzt werden müssen, dann ist das Ding ohnehin den Bach runter.«
Boock war klar, daß es um Handgranaten ging, und dachte nach: »Ja, dann würde ich sie aus Plastik oder aus Glas machen.«
Nach ein paar Tagen kam Abu Hani wieder und präsentierte Boock stolz eine Handgranate russischer Bauart. Sie war aus Plexiglas, olivgrün angestrichen und nicht von einer mit stählerner Hülle zu unterscheiden. Dafür hatte sie aber auch nur eine Explosivkraft wie ein Silvesterböller. Die verheerende Wirkung eines zersplitternden Stahlmantels blieb aus.
Später wurde festgestellt, daß die Handgranaten, die das Entführerkommando an Bord der »Landshut« geschmuggelt hatte, aus Plastik bestanden. Als eine davon bei der Befreiungsaktion in Mogadischu explodierte, war ihre Wirkung tatsächlich gering.
Einige Zeit später erhielt Boock Nachricht, daß Abu Hani ihn in Algier zu treffen wünsche. Gemeinsam mit Brigitte Mohnhaupt, die für die Koordinierung zwischen dem Flugzeugentführungskommando und den Schleyer-Bewachern verantwortlich sein sollte, flog er über Kairo und Tripolis in die algerische Hauptstadt. Sie wohnten dort, fünf bis sechs Kilometer außerhalb Algiers, in einem Haus, das dem algerischen Geheimdienst gehörte.
Brigitte Mohnhaupt führte die Verhandlungen mit Abu Hani, wobei es im wesentlichen um die Aufteilung der erhöhten Lösegeldsumme ging, die zusätzlich zu den Gefangenen gezahlt werden sollte. Dann durfte sie über ein angeblich abhörsicheres Telefon des algerischen Geheimdienstes mit einem der Schleyer-Bewacher in Paris telefonieren. Boock sollte unterdessen in einem algerischen Krankenhaus behandelt werden. Kurz vor Beginn der geplanten Aktion kehrte Boock wieder nach Bagdad zurück. Unterdessen waren die Waffen für die Entführung eines Lufthansa-Flugzeugs auf dem Weg nach Palma de Mallorca. Getrennt davon reiste das Kommando auf die spanische Urlauberinsel.
Schon damals war Boock einiges an der Kooperation mit Abu Hani merkwürdig vorgekommen. Da war erst einmal dessen gänzlich unrevolutionäre Neugier. Es war nicht üblich, sich nach den Einzelheiten einer Operation der Partnergruppe zu erkundigen. Abu Hani aber hatte mehrmals nachgefragt: »Wir hätten doch sicherlich Vertrauen zu ihm. Wenn wir ihm denn schon nicht sagen wollten, wo Schleyer stecke, sei er denn ganz sicher dort, wo er aufbewahrt würde …? Ob man ihn nicht vielleicht in ein Ostblockland bringen wolle …? Auch die Tatsache, daß
zwei
mögliche Hilfsoperationen fertig »ausgecheckt« worden waren, gab Boock zu denken. Sein Mißtrauen wuchs aber noch weiter, als er später erfuhr, daß Abu Hani alias Wadi Haddad enge Kontakte zur Hauptverwaltung Aufklärung des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR unterhielt. Hatte die ganze Operation vielleicht einen geheimdienstlichen »Ast«, den die Akteure der RAF selbst nicht kannten? War nicht der jemenitische Geheimdienst, der auch das Ausbildungslager kontrollierte, voll in der Hand des DDR -Geheimdienstes? Wurde nicht der krebskranke Abu Hani an der Berliner Charité behandelt? War er nicht später, 1978 , in Ostberlin gestorben? Sollte die »Landshut«-Entführung nicht ursprünglich in Aden ihren Abschluß finden, wo die Entführer gegen ein anderes Kommando ausgetauscht werden sollten? Woher stammten die auf deutsch formulierten Fragenkataloge für Schleyer? Warum mußten die Verhörtonbänder nach Bagdad mitgenommen werden? Wo sind sie geblieben? Wieso verbreitete später – nachgewiesenermaßen – die Abteilung Desinformation der HVA gefälschte Schleyer-Verhöre?
Schon bei den ersten Kontakten mit den Palästinensern in Bagdad hatte Boock sich gewundert, über welche Dokumente die PFLP verfügte. So seien ihnen immer wieder Fahndungsunterlagen von BKA und Interpol über die RAF vorgelegt worden. Die Gruppe durfte die Materialien sogar fotokopieren und mit nach Deutschland nehmen. Besonders interessierten die Dossiers des Bundeskriminalamtes über wichtige persönliche Kennzeichen der Gruppenmitglieder. »Einige«, so Boock später
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