Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
geschwärzten Gesichtern in die Kabine ein. Sie schossen mit Platzpatronen und schrien: »Köpfe runter! Wo sind die Schweine?« Einige der Passagiere riefen: »Vorne, vorne.« Dann schossen die GSG - 9 -Männer scharf. Die »Kleine« war sofort tot. Sie wollte sich in der Toilette verschanzen und schoß durch die Tür. Die Grenzschützer durchsiebten die Tür. Mahmud wurde im Cockpit erschossen. Der Jüngste, »der Hübsche«, schoß aus seiner Pistole, bis er getroffen zusammenbrach. Der Plastiksprengstoff explodierte, ohne größeren Schaden anzurichten. Nur die Stewardeß Gabi Dillmann wurde am Bein verletzt, als eine der Handgranaten detonierte. Sie hatte Glück. Es war eine der von Peter-Jürgen Boock entwickelten Plastikgranaten, die nur eine geringe Sprengkraft besaßen. Es waren Momente zwischen Leben und Tod, die sich einbrannten in die Köpfe aller Beteiligten.
Passagierin Diana Müll: »Und dann hab ich nur gesehen, wie so ein Oberteil vom Sitz, so ein Kopfteil, weggeflogen ist. Und dann hab ich gedacht, o mein Gott, jetzt, jetzt wirst du erschossen.«
GSG - 9 -Mann Hümmer: »Hier geht’s dann knallhart Mann gegen Mann, und dann wird es entschieden.«
Oberst Wegener: »Der Mahmud und die ältere Terroristin wurden also sofort getroffen von Doubletten, also von Schüssen der ersten beiden Teams. Und wir wußten nicht, ob sie tödlich getroffen waren. Wir sahen sie nur fallen, und damit war es für uns erledigt. Und genauso mit Mahmud. Der Dritte, ich bin durch einen der hinteren Eingänge eingedrungen in die Maschine mit einem Team, und der schoß wie wild auf unsere Teams, wie wir von hinten kamen. Und Gott sei Dank wurde er dann auch getroffen.«
Gabriele von Lutzau: »Als die Handgranate schon kullerte, hab ich gedacht: Wie muß man das jetzt machen? Man darf die Luft nicht anhalten, wenn eine Explosion ist, sondern man muß die Luft rauslassen – oder wie war das? Also, ich hab ausgeatmet, dann explodierte etwas, dann hab ich geguckt, aha, das Rückgrat funktioniert, dann hab ich meinen Fuß, der betroffen war, bewegt, sag ich: Och, die Zehen scheinen noch dran zu sein. Aber wenn er ab gewesen wäre: Hauptsache lebendig.«
Oberst Wegener: »Und dann schrie plötzlich jemand: Da ist noch jemand in der Toilette. Und dann haben wir durch die Tür geschossen und haben die praktisch in der Toilette erledigt.«
Eine Frau aus dem Entführerkommando überlebte schwerverletzt. Souhaila Andrawes Jahre später: »Ich fühlte, daß ich verwundet bin, und ich dachte, ich sterbe. Ich erinnere mich daran, daß einer der deutschen Soldaten meine Hand hielt. Dabei merkte er wohl, daß ich noch lebe.«
GSG - 9 -Mann Hümmer: »Man mußte davon ausgehen, daß die Andrawes die Handgranaten noch in der Hand hat. Und da mußte sie erst so nach hinten gezogen werden, daß die Hände vorkommen, daß man da auch dran arbeiten kann. Und in dieser Situation ist sie zu sich gekommen.«
Gabriele von Lutzau: »Und dann haben sie gesagt: ›Raus hier, raus hier‹, und man hat sich nur geduckt, man hat den Kopf ganz niedrig gehalten und ist einfach nur … mich packte auch schon jemand und zog mich in Richtung Notausgang. Und ehe ich mich umgeguckt habe, war ich draußen. Und ich habe gedacht: Gott, geschafft. Das gibt es nicht! Das gibt es nicht! Der Alptraum ist vorbei.«
Die Einsatzleitung meldete sich über Funk aus Deutschland: »Give result, give result …«
Oberst Wegener: »Die gesamte Aktion war nach sieben Minuten praktisch beendet, einschließlich Evakuierung. Und dann bin ich raus zu den Passagieren und hab mit denen gesprochen. Und dann wurde mir so langsam klar, daß das ohne Opfer abgegangen war.«
Die Erfolgsmeldung ging an die Lufthansa-Zentrale: »Frankfurt, Frankfurt, GSG , einer, nur einer leicht verletzt, nur einer, one, einer leicht verletzt.«
»Okay, okay, alles … GSG , einer leicht verletzt … all okay … Gott sei Dank.«
Über die Tragflächen zerrten die Grenzschützer die Passagiere aus der Maschine. Nach wenigen Minuten war die Aktion »Feuerzauber« beendet. Drei der Flugzeugentführer, die zwei Männer und eine Frau, waren tot, die andere Frau war schwerverletzt. Um 0 . 12 Uhr deutscher Zeit meldete Staatsminister Wischnewski nach Bonn: »Die Arbeit ist erledigt.«
In Bonn saß der Vertreter von Amnesty International immer noch im Justizministerium und wartete darauf, den Gesprächswunsch des Baader-Verteidigers Dr. Heldmann weitergeben zu können, der die Gefangenen
Weitere Kostenlose Bücher