Der Bademeister: Roman (German Edition)
Sachverstand hat, muss einleuchten, dass ich keinen einzigen Tag auslassen, das Feuer nicht ausgehen lassen darf, denn alles würde einfrieren. Ich verlasse das Bad nicht mehr, damit es nicht mutwillig zerstört wird, während ich durch die Stadt laufe oder in der Wohnung bin. Zwei der Steinfiguren, die wie Wasserspeier aussehen, sind abgeschlagen, der dickbäuchige Neptun mit einem Dreizack, der sich auf zwei Nixen mit pausbäckigen Engelsgesichtern stützt. Ursprünglich waren es acht Figuren, jetzt sind es nur noch sechs. Niemand kann das gutheißen. Es ist Beschädigung öffentlichen Eigentums. Ich kenne das Gebäude genau. Es muss einer verhindern, dass es weiter Schaden nimmt.
Gestern habe ich zum ersten Mal gehört, wie sich Putz und Farbe von der Wand lösen, herunterfallen und auf den Fliesen auftreffen. Jetzt ist es wieder still.
Hören Sie? Ich weiß die Uhrzeit nicht. An einem gewöhnlichen Tag hätte Frau Karpfe wohl schon darauf gelauert, mich zu stellen, weil ich zu spät komme. Bisher ist es ihr nicht gelungen, mich eines Versäumnisses zu überführen oder eine Verfehlung festzustellen. Es würde ihr nicht mehr schwerfallen: Unbefugtes Eindringen, Hausfriedensbruch. Ein Spinner, hat der Hausmeister so laut gesagt, dass ich es hören musste, lass ihn, der ist verrückt, sagte er vernehmlich zu Frau Karpfe, wenn sie mich zu sich rief, um ordnungsgemäß zu fragen, wann ich meinen Urlaub nehmen wolle. Lass den nur hier bleiben, sonst dreht er durch, verkündete er laut und blickte nicht in meine Richtung.
Das ist eine Lüge. Einer muss hier sein, damit nicht alles verfällt, und niemand kennt das Schwimmbad so gut wie ich.
Hören Sie mich? Ich achte darauf, mich in der Nähe der Pfeiler aufzuhalten. Wenn hier Mikrophone versteckt sind, befinden sie sich über den Pfeilern, da, wo der Pfeiler in den Bogen übergeht, oberhalb der Fliesen. Deutlich kann man die Verfärbung des Verputzes sehen. Wenn ich stolpere, liegt das nur daran, dass ich die verschmutzten Schuhe vor Augen habe, das Rascheln und Fiepen in den Ohren, und ich lausche angespannt, weil es manchmal aus den Wänden rieselt, als würden sie sich zersetzen. In den Heizungsrohren klopft es leise, ich verstehe nicht, warum. Vielleicht kommt das Geräusch auch aus den Holzbänken auf der Tribüne, die von Würmern zerfressen werden. Totenuhren heißen solche Würmer. Auf den Fliesen unterhalb der Tribüne sind winzige, kegelförmige Anhäufungen sehr feinen Staubs.
Staub hat in einem Schwimmbad nichts zu suchen, und mit dem Staub, dem Placken Putz, den Brocken von Mörtel hat das Unglück angefangen.
Die Schwimmhalle habe ich selten verlassen und nur für wenige Minuten, wenn keiner im Wasser war. Ein Badegast hatte ein Handtuch liegen lassen, und ich ging in den Keller zu Klaus, der dafür zuständig war, weil in der kleinen Kammer der Schrank für Fundsachen steht. Vielleicht hat der Hausmeister bemerkt, dass ich die Treppen hinuntergehe. Ich stand mit Klaus vor dem Aquarium, als ich den lauten Ruf hörte. Es sei einem Badegast etwas zugestoßen, fürchtete ich und rannte durch den Gang und die Treppen hinauf.
Auch die anderen hatten den Ruf des Hausmeisters gehört und liefen zusammen. Es war Abend und schon dunkel draußen, drinnen war die Nachtbeleuchtung eingeschaltet, gelbliche Glühbirnen, die sich auf der ruhigen Wasserfläche spiegelten. Nur aus dem Büro schrillte das Telefon, sonst blieb es still. Klaus war mir gefolgt, mit seinen schwarzen Schuhen stand er da. Nach einem Augenblick, bevor ich etwas sagen konnte, weil alle mit Schuhen in die Schwimmhalle gelaufen waren, fingen sie an zu reden und zu lachen.
Der Hausmeister war in der Halle gewesen, nicht ich. Er hatte laut gerufen; ich hätte nichts gesagt, hätte versucht, den Schaden zu verbergen, die schadhafte Stelle heimlich auszubessern.
Dann sah ich, dass er den losen Dreck schon zusammengefegt und die großen Teile hinausgetragen hatte. Erst danach hat er gerufen.
Ein großes Stück Putz, ein Stück der Wand, Placken von Farbe und Mörtel waren herausgebrochen, darunter klaffte ein hohler Raum, eine leere Stelle da, wo man dickes Mauerwerk vermutet hätte. Nicht aus Steinen oder Backstein sind die Mauern, sondern aus Mörtel, der von einer Eisenkonstruktion gehalten wird. Das Eisen ist verrostet. Ich hatte nie daran gezweifelt, dass die Mauern aus Steinen sind, dass nichts dem Gebäude etwas anhaben kann. Es war ein erbärmlicher Anblick. Die anderen fingen an zu
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