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Der Bademeister: Roman (German Edition)

Der Bademeister: Roman (German Edition)

Titel: Der Bademeister: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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war es halb zehn Uhr und bald Zeit zu schlafen, denn früh um sechs Uhr stand ich wieder auf. Gelesen habe ich nicht mehr, es waren keine Bücher da, und ich löschte das Licht, ließ nur den Globus eingeschaltet, lag auf dem Bett und schaute auf die Kugel, die im dunklen Zimmer hell leuchtete, auf die blau gemalten Flächen, die das Meer bezeichnen. Das Wasser überwiegt, es nimmt mehr Platz ein als das Land, und Cremer hat mir vorgelesen, dass es sogar unter der Wüste Wasser gibt. Er hat mir vorgelesen, dass die Eisberge schmelzen, der Wasserspiegel steigt und dass es in nicht allzu ferner Zeit große Überschwemmungen geben wird. Die blauen Flächen werden größer, und keiner kann sie daran hindern. Am Ende wird auch hier im Schwimmbad wieder Wasser sein. Ein schwarzer Streifen auf dem Grund trennt Schwimmer- und Nichtschwimmerbereich. Ein roter Streifen oben am Beckenrand warnt jeden davor, einen unvorsichtigen Schritt zu tun. Auch auf dem Globus kann man genau erkennen, wo das Land aufhört, das Wasser beginnt. Die anderen Grenzen tun dabei nichts zur Sache. Ich lasse mich nicht irremachen.
    Die anderen, die im Schwimmbad arbeiteten, lachten mich aus, weil ich als Erster kam, als Letzter ging und nie etwas erzählte, nannten mich wortkarg oder mundfaul oder stumm, argwöhnten, ich sei mir zu gut, um mit ihnen zu reden, argwöhnten, ich hätte meine Gründe, und schlossen sich zuletzt der Meinung des Hausmeisters an, ich sei beschränkt, könnte nur auswendig hersagen, was auf den Warnschildern geschrieben stand. Und ich war froh, dass sie mich in Ruhe ließen, die Schwimmhalle kaum je betraten, keinen Schmutz hereintrugen, denn was auf dem Boden ist, gelangt sehr leicht ins Wasser, verstopft die Filter, man muss die Filter reinlich halten, ohne Filter ist das Schwimmbadwasser verloren, und alles Chlor und Flockungsmittel hilft nicht mehr. Es gilt genau abzuwägen, welche Chemikalien man gebraucht und wie viel, alles hängt davon ab, zum richtigen Zeitpunkt das richtige Mittel anzuwenden, zumal dann, wenn der Zustand des Wassers kritisch ist und die Belastung höher als gewöhnlich. Wer das Wasser kennt, spürt gleich, wie es um seine Qualität bestellt ist, es genügt, wenn er die Schwimmhalle betritt oder die Hand ins Wasser hält, ein Blick genügt, eine Berührung, der Geruch; ich musste dazu nicht nachmessen, weder die Menge Chlors im Wasser noch seinen Säuregehalt, und als die Beauftragten der Bäderverwaltung kamen, war das Wasser leicht getrübt, es war belastet, aber noch war die Trübung oberflächlich, und mit den geeigneten Maßnahmen war dem abzuhelfen. Nur hinderte man mich daran, hinderte mich absichtlich, meine Aufgabe zu tun. Vielleicht hätte die ausgezeichnete Qualität des Wassers die Beauftragten günstig beeinflusst, ihr Urteil, das vernichtend war, gemildert. Der Hausmeister teilte es mir grinsend mit: das Becken hat sich gesenkt, die Kosten für die Sanierung sind zu hoch, das Schwimmbad muss geschlossen werden. Und er lief durchs Gebäude, zu den Badewannen hinauf und hinunter in den Heizungskeller, trug die Nachricht allen zu, und sie versammelten sich in der Schwimmhalle, als gälte es, ein Fest zu feiern.
    Das Becken, wiederholte er triumphierend und zeigte dabei auf mich, das Becken hat sich gesenkt. Man muss das Wasser ablassen, verkündete er, das Wasser ist zu schwer. Die Prüfung der Statik hat ergeben, das Wasser ist zu schwer, wiederholte er und griff nach dem Putzeimer, den Christa abgestellt hatte, hob ihn bis über seinen Kopf und leerte ihn mit einem Schwung ins Becken, kippte Schmutzwasser und Seifenschaum hinein und machte Anstalten, den Eimer hinterherzuwerfen. Die Seifenblasen trieben ölig auf dem Wasser, ein dunkler Strom verbreiterte sich, löste sich allmählich auf, Flusen und feste Teilchen strudelten noch eine Weile, sanken dann langsam ab, während die Seifenblasen platzten und giftig auf der Oberfläche schimmerten, ein Stückchen Papier schwankte, torkelte, saugte sich voll, ein Preisschild tauchte wieder auf, die Schrift verwischte, ich wollte nach dem Kescher laufen, doch der Hausmeister packte mich am Arm und hielt mich fest. Dein Wasser ist ein Dreck, geiferte seine Stimme, und er spuckte aus, als sei das Schwimmbad eine Kloake. Frau Karpfe und Christa lachten, Frau Karpfe nahm ihre Zigarette aus dem Mund, warf den Zigarettenstummel ins Wasser, im Flug glühte er noch einmal auf, verzischte und sonderte braune Schlieren ab, während sich das Papier des

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