Der Bademeister: Roman (German Edition)
Wasser aus dem Heizungskeller wieder hinauf und ins Schwimmbecken pumpen. Ich habe alles so gut instandgehalten, dass nur selten Reparaturen nötig wurden, und ich musste den Abflussschieber nicht anfassen, um zu wissen, dass er sich ohne Widerstand öffnen lassen würde.
Einen Augenblick stand ich vor der Kammer mit dem Schlüssel in der Hand. Im Heizungskeller konnte ich Klaus pfeifen hören, und aus der Schwimmhalle rief mir der Hausmeister höhnisch zu, ob ich Hilfe bräuchte. Ich schloss die Kammer auf, schaltete das Licht ein und stand vor dem Abflussschieber, der sich mit einer Hand bewegen ließ.
Als ich hinausging, ließ ich die Tür offen stehen. Es gab keinen Grund mehr abzuschließen. Oben erwartete der Hausmeister mich und gab mir große Karteikarten, auf denen ich eintragen musste, was sich in der Schwimmhalle und in den Auskleidekabinen befand und zum Abtransport und zur Weiterverwendung eignen könnte. Den Rettungsring darfst du behalten, grinste der Hausmeister und ließ mich allein.
Es dauert lange, bis ein Schwimmbad leer ist. Die Wasserfläche liegt unbewegt, als wäre nichts geschehen, und bis zum Mittag ließ sich mit bloßen Augen nur eine geringfügige Veränderung des Wasserpegels feststellen, so dass der Hausmeister selbst in die kleine Kammer ging, um zu kontrollieren, ob ich den Schieber ganz geöffnet hätte. Bis zum Mittag wollte ich glauben, das Wasser würde nicht abfließen, als hätte es ein Einsehen in die ganze Schändlichkeit. Aber ich wusste genau, was ich getan und dass ich den Schieber ganz geöffnet hatte und dass das Wasser unaufhaltsam abfloss. Man selbst unternimmt den entscheidenden Schritt und hofft, er bliebe folgenlos, und wenn die Folgen eintreten, ist es zu spät, und man hat nicht mehr die Kraft, etwas zu tun. Ich selbst habe den Abfluss geöffnet. Wäre ich der Anweisung nicht gefolgt, hätte der Hausmeister sie statt meiner ausgeführt.
In der Halle wurde es kälter, ich musste den Bademantel anziehen. Kein Badegast kam, um zu protestieren. Auch am Haupteingang hatte der Hausmeister ein Pappschild angebracht, und nachmittags stellte er ein großes Schild vor den Gang zur Schwimmhalle: Zutritt verboten! Einsturzgefahr!
Abends holte die Verwalterin persönlich die ausgefüllten Karteikarten. Der Hausmeister fragte verärgert, warum es so lange dauere, bis das Becken leer sei. Schick ihn zu den Wannenbädern, sagte er zu Frau Karpfe, die es wiederholte: Sobald das Becken leer ist, arbeiten Sie bei den Wannenbädern.
Dann gingen sie. Es war erst gegen sechs Uhr, im ganzen Gebäude blieb es seltsam still.
Ich setzte mich auf eine Holzbank und schaute auf den Wasserpegel, der allmählich sank. Die großen Lampen hatte ich ausgeschaltet, die Halle war leer, ein Unglücksort, den man verlässt, ohne sich noch einmal umzudrehen. Manchmal raschelten die Plastikfolien in einem Luftzug. Ich habe den Geruch gespürt, der aus dem Becken drang, das sich langsam leerte. Totes Gewässer schon und die Fäulnis der ganzen Jahre, die ganzen Jahre seit dem Bau des Schwimmbads. Begreifst du, hat der alte Bademeister mir gesagt, alles ist noch da, so leicht wäscht sich nichts ab. Das Volksbad, lachte er. Weißt du, was früher war? Schau doch, wie unschuldig das Wasser daliegt. Feine Unschuld, lachte er. Im Seitengang war es zu eng, um Leute zu erschießen. Es gibt noch Badegäste, die du fragen kannst, ob sie nie etwas gehört haben, wenn sie am Schwimmbad vorbeigegangen sind, als es geschlossen war während der letzten Kriegsjahre. Es gibt welche, die trotzdem Zugang hatten. Nur die, die am Ende im leeren Becken lagen, die kannst du nichts mehr fragen. Aber wenn du genau hinschaust, wirst du sie vielleicht einmal sehen. Merkst du nicht, wie es riecht? So leicht wäscht sich nichts ab, wir stinken alle noch. Sei froh, dass es wieder Chlor gibt. Die Teilchen sinken auf den Grund und setzen sich zwischen den Fliesen fest. Wenn das Becken leer ist, dann siehst du, was aus den Fugen herauskriecht.
Er ist verschwunden, hören Sie? Keiner hat protestiert, als das Wasser abfloss. Bis spät habe ich auf der Holzbank gesessen. Am nächsten Morgen dachte ich einen Augenblick, ich hätte nur geträumt. Es dauert lange, bis ein Schwimmbecken ganz leerläuft. Drei Tage dauert es. Am zweiten Tag war im Nichtschwimmerbereich noch Wasser. Niemand betrat die Halle. Am dritten Tag hatte das Wasser sich in den tiefen Bereich zurückgezogen, die Fliesen im vorderen Teil glänzten feucht. Dann
Weitere Kostenlose Bücher