Der Bademeister: Roman (German Edition)
Personen täglich, dann blieb ein Teil von ihnen weg, und in der dritten Woche kam nur noch eine alte Frau, die tat, als würde sie mich nicht sehen, und mich beschimpfte, wenn ich nach einer Stunde klopfte, weil ich fürchtete, sie sei gestorben.
Ich erinnere mich nicht gut an diese Tage. Warum sollte ich mich daran erinnern? Es hat mit meinem Beruf nichts zu tun; ich bin der Bademeister, mit Wannenbädern kenne ich mich nicht aus, saß in der kleinen Kammer, hatte nichts zu tun, und in den Badewannen schwamm lange schmutzige Brühe, weil die Abflüsse verstopft waren. In der Kammer war es dunkel, es gibt dort nur ein kleines Fenster oben in der Wand, der Wecker, der auf einem Tischchen stand, war stehen geblieben, ich musste raten, wie die Zeit verging, denn eine Armbanduhr habe ich seit meiner Jugend nicht getragen. Frau Karpfe räumte das Büro, sie wussten alle, dass es vorbei war, nur mir haben sie es nicht gesagt. Ich habe dort im ersten Stock gesessen, als schon niemand mehr baden wollte, den ganzen Tag kein Wort gesprochen und gehört. Nur morgens auf dem Weg wünschte mir Cremer einen Guten Morgen.
Am Eingang zur Schwimmhalle stand das Schild: Betreten verboten! Einsturzgefahr! Es war kein Laut zu hören, drei Wochen vergingen so, vergingen langsam, und ich lauschte ängstlich, ob nicht bald Handwerker kämen, die Wände in der Halle reparierten, rostige Eisenstangen ersetzten, das Schwimmbecken noch einmal überprüften, um festzustellen, dass es sich nicht gesenkt hatte, dass die Beurteilung durch die Beauftragten fehlerhaft gewesen sei. Frau Karpfe müsste ihr Büro ausräumen, weil es frisch gestrichen würde, glaubte ich, ging einmal hinunter, klopfte an die Tür, fand sie allein an ihrem Tisch, auf dem nur noch ein Aschenbecher und das Telefon standen, sagte ihr, dass ich unterschrieben hätte, den Antrag für das Chlor und Flockungsmittel, den Antrag zur Sanierung des Volksbades. Ich wollte fragen, wann denn die Arbeiten beginnen würden und wo die anderen seien, und hörte den Hausmeister nicht, bis er hinter mir stand und laut zu lachen anfing.
Und einmal ging ich in den Hof, klopfte an die Eisentür zum Heizungskeller, wartete darauf, dass Klaus mir öffnete, hörte ja, dass einer da war, doch niemand antwortete, und niemand öffnete die Tür.
Drei Wochen war ich bei den Wannenbädern, und in der dritten Woche kam niemand, um zu baden. Den ganzen Tag saß ich dort oben, und als die dritte Woche um war, rief Frau Karpfe, wartete unten an der Treppe und händigte mir einen Brief von der Stadtverwaltung aus. Der Hausmeister stand neben ihr und grinste, als ich den Brief entgegennahm. Weißt du jetzt, was du unterschrieben hast?, lachte er, ging dann zur Tür, öffnete sie weit und zeigte mir das Schild, das mit einem Reißnagel daran geheftet war: Ab dem 30. November bleibt das Volksbad geschlossen.
Den Brief hielt ich noch ungeöffnet in der Hand, als er mich durch die Tür hinauswinkte. Hinter mir zog er sie ins Schloss, ich hörte, wie er den Schlüssel umdrehte.
Den Brief musste ich nicht lesen, um zu wissen, was darin geschrieben stand.
Das Licht in der Eingangshalle verlosch, die beiden Fenster neben der großen Tür lagen im Dunkeln, nur weiter hinten, im Büro, war es noch hell.
Ich habe nichts gesagt. Das Schild leuchtete im Dunkeln weiß, die Buchstaben konnte ich nicht erkennen.
Es war erst sieben Uhr. Vor neun Uhr war ich nie zu Hause.
III
Am folgenden Tag bin ich zur gewohnten Zeit aufgewacht und aufgestanden, habe mir in der Küche eine Tasse Tee gemacht wie jeden Morgen, für meine Mutter den Kaffee aufgesetzt. Dann bin ich leise ins Schlafzimmer zurückgegangen, um meine Jacke zu nehmen, die dünne Jacke, denn der Weg ist nicht weit. Die Kürze des Weges hat es selbst bei niedrigen Temperaturen überflüssig gemacht, einen dicken Mantel anzuziehen. Aus dem Schrank holte ich einen Schuhkarton, um ein Paar braune, feste Lederschuhe herauszunehmen, die ich noch nicht getragen hatte. Mein Vater hat auf gutes Schuhwerk streng geachtet, aber für einen Bademeister sind Turnschuhe das passende Schuhwerk, weswegen ich ein abgetragenes und ein neueres Paar davon besaß, das eine für den Weg, das andere für das Schwimmbad, wo ich allerdings tagsüber Badesandalen trug. Für die Lederschuhe hatte ich nie Verwendung gehabt, so dass sie unbenutzt in dem Schuhkarton in ein dünnes, weißes Papier eingepackt lagen, wie meine Mutter sie mir übergeben hatte. Erst an diesem Morgen nahm
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