Der Bademeister: Roman (German Edition)
doch keiner daran, dass ich der Bademeister bin.
Nach dem Tod meines Vaters hat meine Mutter rosa Vorhänge genäht, eine rosa Badematte gekauft, zwischen Waschbecken und Badewanne konnte man sich kaum rühren, und was man berührte, war rosa und roch nach Kölnisch Wasser.
Ich wollte mich kämmen, um Cremer aufzusuchen, aber das Gesicht im Spiegel war mager und blass. Ich bin abgemagert. Als ich Cremer kennenlernte und sagte, ich sei der Bademeister, lachte er.
Er erkennt mich nicht, dachte ich. So darf man nicht aussehen. Die scharfen Falten, als wäre das Gesicht zerkratzt und fiele auseinander, wie leere Höhlen die Augen, und ich war lange nicht zum Haareschneiden gegangen, die Haare struppig bis in die Stirn, ich konnte so zu keinem Friseur gehen und nicht zu Cremer, wollte am liebsten das Gesicht abwaschen, aber es gibt dazu nicht genug Wasser, dachte ich. Hören Sie? Ich wollte da nicht länger stehen.
Ich habe die Wohnung verlassen. Die Tür habe ich nicht zugeschlossen, sondern hinter mir zugezogen, das Licht im Treppenhaus nicht eingeschaltet, und weil die Sohlen sich von den Straßenschuhen lösten, trug ich wie früher meine Turnschuhe, und es war kein Schritt zu hören.
Was auf den Schildern im Schwimmbad steht, weiß ich auswendig. Personen mit Wunden oder Hautausschlägen sind von der Benutzung des Schwimmbeckens ausgeschlossen.
Ich habe einen großen Umweg gemacht, bis ich schließlich vor dem Schwimmbad stand. Die Figuren an der Fassade sind schon lange zerfressen, ich kenne sie nicht anders, habe nie darauf geachtet, denn immer bin ich gleich die Stufen zum Eingang hinauf- und ins Gebäude hineingegangen. Jetzt stand ich zum zweiten Mal seit meiner Entlassung davor, sah die weiße Pappe an der Tür befestigt und las, was darauf geschrieben stand. Sah ein großes Schloss angebracht, eine Kette, die Fenster an der Front mit Brettern zugenagelt, dahinter alles tot.
Zwei der Steinfiguren waren abgeschlagen, zwei der acht Nixen, die eine Wanne halten, in der Neptun sitzt. Über dem Portal war noch der Bär, den zwei pausbäckige Kinder waschen, hinter der Tür nichts als Schmutz und Leere.
Meine Stimme ist nie laut geworden. Ich hätte so laut rufen müssen, dass alles stehen bleibt, die Zeit umkehrt, das Becken niemals leer, das Wasser nie abgelassen war, täglich käme ich hierher und wäre der Bademeister wie früher.
Eine Straftat habe ich nie begangen. Wusste nicht, wohin, als ich aus der Wohnung gelaufen war, stand vor dem Volksbad ohne Plan und Absicht, es dämmerte, für einen Moment glaubte ich, es wäre nur ein Irrtum, ich stieg die Stufen hinauf, als müsste ich nichts weiter tun, als aufzuschließen und durch den Eingang einzutreten, um alles vorzufinden, wie es seit jeher war.
Ich fürchtete, es könnte einer mich erkennen, Cremer vorbeikommen, mich nicht erkennen. Gleich würde es Tag sein, ein weiterer Tag, ich dachte, dass ich kein Obdachloser bin.
Die Kette am Schloss war verrostet, als wäre eine neue Kette zu schade für ein heruntergekommenes Gebäude. Ich sah mich um, außer mir war keiner auf der Straße. Als ich schon gehen wollte, fiel mir mein Globus ein, den ich Klaus zum Aufbewahren gegeben hatte. Dass der Globus vielleicht noch da sei, dachte ich, im Keller, und ohne nachzudenken ging ich in die Hofeinfahrt, zog den Schlüssel aus der Tasche, als hätte ich nie vergessen, dass ich den Schlüssel zum Seiteneingang besaß, öffnete die Tür und stand vor den Treppen, die zum Heizungskeller führen.
V
Vielleicht hat einer aus dem Fenster geschaut und gesehen, dass ich die Einfahrt entlanggehe, die Seitentür aufschließe, hat gesehen, dass ich verschwinde, und am Eingang hängt ein Schild und gibt bekannt, das Schwimmbad ist geschlossen, das Volksbad ist geschlossen. Vielleicht ist einer misstrauisch geworden und hat am Eingang geklopft; ich bilde mir ein, Klopfen gehört zu haben, zwei- oder dreimal, doch das Bad ist geschlossen, ich habe nicht geöffnet.
Ich weiß, dass ich unrechtmäßig hier eingedrungen bin, aber der Einbruch war nicht gewaltsam. Ich hatte den Schlüssel. Keiner hat mich aufgefordert, den Schlüssel zum Seiteneingang zurückzugeben.
Ich zog die Tür hinter mir zu, stand vor den Treppen, die in den Heizungskeller führen, konnte das Licht nicht einschalten, es war dunkel.
Der Geruch verhieß nichts Gutes. Im Dunkeln habe ich mich vorgetastet, wagte nicht, Licht einzuschalten, denn keiner durfte mich entdecken, war endlich angekommen. Die
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