Der Bademeister: Roman (German Edition)
laufen vorbei, hinter den Autoscheiben sieht man ihre Gesichter, hinter den großen Scheiben der Läden oder hinter den Fenstern in den Häusern, es sind sehr viele, an kein Gesicht könnte ich mich erinnern, und niemanden habe ich erkannt. Das Licht war mir zu hell, trotz des bedeckten Himmels, man hält das Licht nicht aus, jeder kann einen sehen auf der Straße, und immer mehr Zeit verbrachte ich unten in den U-Bahn-Stationen, die oft fast leer sind, es muss keinen stören, wenn man sich dort ausruht, und wenn die Züge kommen, muss man aufpassen, dass niemand auf die Gleise fällt und überfahren wird.
Die Aufsichtspersonen an den Bahnstationen würden mich brauchen können, dachte ich; vier Augen sehen mehr als zwei, und schließlich habe ich meine Hilfe angeboten, doch wollte davon keiner etwas wissen, ich habe mich wiederholt erkundigt und immer höflich, habe nicht gebettelt, eine Rente bekomme ich, auf Wohltätigkeit bin ich nicht angewiesen.
Man hat mich ausgelacht. Hinter der Glasscheibe sah ich ein Gesicht, ein Kopfschütteln, das Lachen konnte ich nicht hören, denn sie mussten nur das kleine Fenster zuschlagen. Wie ein Bittsteller steht man davor, obwohl ich mein Leben lang um nichts gebeten habe, wenn man von dem Chlor und Flockungsmittel absieht, das aber nicht für mich, sondern für die Qualität des Wassers unabdingbar war.
Der Dritte, den ich fragte, hat mich beschimpft und gedroht, Wachleute zu rufen. Sie laufen mit ihren Hunden auf und ab, und wenn man zu lange auf einer Bank sitzt, ohne einzusteigen, dann fragen sie, was man dort macht und ob man nichts anderes zu tun habe, und einmal verlangten sie meinen Ausweis zu sehen.
Gegen mich liegt nichts vor, und wenn einer etwas anderes behauptet, dann lügt er. Ich habe wie alle anderen gearbeitet, nie bin ich weggeblieben, für zwei habe ich gearbeitet, und wenn das Schwimmbad verfällt, so bin nicht ich schuld daran.
Die Schuhe sind verkratzt, denn manchmal gibt es ein Gedränge oder einer stolpert, oder auf dem Bürgersteig liegt ein Zweig oder ein Stein, und wenn es regnet, spritzt von der Straße das Wasser auf Mantel und Hose, das alles lässt sich nicht vermeiden. Früher habe ich ordentlicher ausgesehen, aber geschlafen habe ich auf der Straße nie, habe mich jeden Tag rasiert, und wenn ich abgemagert bin, so liegt das daran, dass ich nicht hungrig war. Wenn es Zeit war, bin ich nach Hause gegangen, um zu schlafen, den ganzen Tag kann man dort nicht bleiben, vom Flur ins Wohnzimmer und wieder in mein Zimmer, das Schlafzimmer meiner Mutter habe ich nicht betreten, die Küche und die ganze Wohnung nicht verschmutzt, und auch das Bad nicht, das ich nie gerne benutzt habe.
Ich konnte dort nicht bleiben. Man kann nicht den ganzen Tag in der Wohnung sein. Man steht am Fenster, es beschlägt, bis der Atem die Scheibe hinunterrinnt. Keiner kann den ganzen Tag herumlaufen, am Sonntag geht man spazieren, wochentags kauft man ein oder erledigt etwas, und wenn weder das eine noch das andere zutrifft, verkommt man in der Stadt. Selbst wenn man Acht gibt, werden die Kleider schmutzig, und wer zu lange auf einer Bank sitzt, wird im Winter schließlich Wunden an den Beinen haben, die anderen spüren gleich, dass einer nicht weiß, wohin er gehen soll, es muss ja jeder wissen, wohin er geht, es muss doch einer wissen, wo er hingehört.
Das ganze Leben habe ich auf die Leute aufgepasst, und plötzlich lief ich in einem dicken Mantel durch die Stadt und wusste nicht, wohin ich gehen soll und wann endlich der Tag aufhört, und jeder konnte auf mich zeigen und fragen, was ich hier zu suchen hätte, als wäre ich einer von den Verrückten oder Krüppeln, einer, den jeder fragen darf, was er hier zu suchen hat, und ich, ich wusste keine Antwort. Geredet habe ich nie viel, doch wenn man mich um Auskunft bat, dann konnte ich sie geben, und wenn einer sich in Gefahr begab oder andere gefährdete, habe ich so laut gerufen, dass jeder hören konnte, was ich rief.
Die Zeit ist abgelaufen. Wie ein Tier verkriecht man sich, fürchtet die Blicke der Passanten, die Zeit ist langsam wie eine Schuld.
Es war Pfusch. Ich weiß jetzt, dass es Pfusch war. Die Mauern sind nicht gemauert, sind aus Mörtel, Eisengestänge, Stroh, und das Stroh fault, das Eisen rostet, der Mörtel platzt von der Wand und zerbröckelt zu Staub.
Meine Aufgabe war, die anderen im Auge zu haben, damit ihnen nichts zustößt. Jetzt beobachteten die anderen mich, musterten mich misstrauisch
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