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Der Bär

Der Bär

Titel: Der Bär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Gerolstein«, sagte der alte Juppes fest. »Also, das ist aber wirklich wahr. Er lebte in Michel Schniggers Haus. Also, in dem Haus, das Michel Schnigger baute. Michel war Schneider, daher der Name. Das war oben unter der Burg. Er lebte da mit seinem Drachen.«
    »Mit seinem Drachen?« Esther war entzückt.
    »Ja, seine Frau war ein Drachen. So eine Zeterliese, sagten die Leute, deshalb war er auch dauernd unterwegs. Und wenn er nicht unterwegs war, saß er im Hotel Heck und trank seinen Schoppen. Da saßen die anderen ja auch. Also, der Richter, der Apotheker, der Arzt und so. Das war damals so Usus.«
    »Usus?«, fragte Esther.
    »So Brauch«, erklärte ich. »Es gibt also keinen wirklich triftigen Grund, weshalb dieser Steuereintreiber den Tutut umgebracht haben soll. Juppes, das hier ist kein Spaß mehr.«
    »Es gibt eigentlich keinen Grund«, gab er zu. »Aber ihr müsst zugeben, dass es hätte passen können.« Dabei sah er uns der Reihe nach listig an.
    Rodenstock begann tief und guttural zu lachen, Emma fiel ein, Esther kicherte im Falsett, und schließlich lachten wir alle. Juppes war ein echter Kauz, ein Urtyp, er rieb sich die Hände, und es klang, als reibe er Schmirgelpapier aneinander. Dann ließ er vernehmen: »Jetzt muss ich aber ein Stündchen schlafen.«
    »Oh nein«, sagte Esther sehr bestimmt. »Sie haben doch gesagt, Sie wissen, wo dieses Grab ist. Wir packen Sie jetzt in ein Auto, und Sie zeigen es uns. Und dann fahren wir Sie wieder hierher und Sie dürfen ein Schläfchen machen.«
    »Sehr, sehr gut!«, lobte Emma. »So machen wir das.«
    So machten wir es, wenngleich Juppes im Urgroßvaterton mahnte: »Warum seid ihr jungen Leute denn immer so eilig? Das ist doch Stress ist das!«
    Wir fuhren nach Gerolstein, dann auf Pelm zu, dann hoch zur Kasselburg und querab auf den alten Juddefriedhof, wie er genannt wurde.
    »Wer wurde hier beerdigt?«, fragte ich.
    »Na, also solche, die fremd waren. Also Zigeuner, durchreisende Streuner, wie sie genannt wurden. Das ist hier kein traditionell jüdischer Friedhof.« Er betrachtete das Feld, er bückte sich, ging in die Knie, betrachtete eine Baumgruppe. Er brauchte keine Brille. »Also, seht ihr da die Eiche? Die muss jetzt so hundert Jahre alt sein. Damals stand sie genau auf der Ecke des alten Friedhofs. Und genau zehn Schritte nach Ost muss es sein. Ich habe es selbst ausgemessen.«
    Rodenstock ging an die Stelle, machte zehn normale Schritte. »Also hier?«
    »Ja«, nickte Juppes. »Da war es, das hat mein Vater damals festgelegt. Und der wusste ganz genau Bescheid. Er hat es mir wohl gesagt, damit einer in der Familie das weiß. Genau da, zehn Schritte von der Eiche links von der Weide zu dem Erdhuckel hin.«
    »Dann fahre ich dich jetzt zum Schlafen«, nickte Emma. »Steig mal ein.« Sie fuhr mit ihm davon.
    »Du hast Bedenken, nicht wahr?«, fragte ich Rodenstock.
    »Die habe ich. Schändung nennt es das Gesetz, Friedhofsschändung.«
    »Aber das ist kein Friedhof, keine geweihte Erde.«
    »Heilige Scheiße!«, fluchte Esther. »Gebt mir einen Spaten. Ihr seid doch vollkommen meschugge. Wen interessiert dieser Quadratmeter Erde denn? Sieht nach nichts aus, und ich wage zu behaupten: Da liegt auch keiner. Also her mit dem Spaten.«
    Ich fing an, dann löste Rodenstock mich ab, dann folgte Esther, die so schwer schnaufte, dass ich ihr das Gerät in reinem Mitleid wieder aus der Hand nahm. Emma kam herangerollt und beteiligte sich. Nach etwa dreißig Minuten waren wir dreißig Zentimeter tief, es war steinig, es war lehmig, es war schwer, die Erde wehrte sich. Nach einer Stunde waren wir in der Tiefe, in der wir etwas finden konnten. Wir gruben vorsichtiger.
    »Ich bin doch kein Pfadfinder!«, fluchte Emma. »Ich sehe aus wie ein Mastschwein in der Suhle, ich schwitze, und wir haben keine Dusche hier. Ich finde das Leben gar nicht schön. Rodenstock, mach mein Leben schön.« Und bei jedem Satz fuhrwerkte sie mit dem Spaten herum. Bis das Eisen plötzlich anders klang, und sie erstickt sagte: »Da ist was!«
    Der erste Knochen, der zum Vorschein kam, war hellgrau und sehr lang.
    Rodenstock stand jetzt in der Grube. »Demnach war Tutut ein Mammut oder so was in der Art. Das ist kein Menschenknochen, der hat gute sechzig Zentimeter.«
    »Vielleicht entdecken wir jetzt den sogenannten Eifel-riesen, nach dem man schon seit dreihundert Jahren sucht.« Emma grinste.
    Rodenstock legte ein weiteres Fundstück auf den Rand der Grube. »Sieht aus wie das

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