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Der Bär

Der Bär

Titel: Der Bär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Schulterblatt eines Elefanten«, sagte er trocken. »Baumeister, mach mal weiter, du bist noch jung, du kannst dich noch weiter entwickeln.«
    Ich ließ mich in die Grube hinab und nahm den Spaten. Mein Hemd war nach ein paar Minuten klatschnass vom Schweiß. Was ich dann zutage förderte, war eindeutig ein Schädel, und Rodenstock sagte erfreut: »Das ist ein Pferd, das ist einwandfrei ein Pferd.«
    »Aber Tutut fehlt uns noch«, mahnte Esther. »Mach weiter, Baumeister, du bist so gut am Zug.«
    Dann fand ich eine Hand, eindeutig eine Menschenhand. »Sie haben Tutut mit einem Pferd begraben. Also hatte er ein Pferd.«
    »Falsch«, sagte Rodenstock, »ganz falsch. Das Pferd gehörte dem Mörder.«
    »Aber warum, zum Teufel, haben sie den Gaul dann begraben?«, fragte ich.
    »Weil er tot war«, antwortete Rodenstock einfach. »Ihr vergesst den Bären. Wenn es stimmt, dass dieser Graf von Manderscheid oder ein Verwandter von ihm das Tier schoss, dann bedeutet das, dass er frei durch die Wälder lief. Also hat er sich losgerissen. Er hat das Pferd angefallen, er hat das Pferd getötet. Sie mussten das Pferd wegschaffen, denn das Pferd war verräterisch. Nicht viele Leute hatten Pferde. Mach weiter, Baumeister, wir brauchen nur noch den Schädel. Wir brauchen Tututs Schädel.«
    »Wieso denn?«, fragte Emma muffig. »Sieht man doch an den anderen Knochen, dass es ein Mensch ist.«
    »Der Schädel wurde eingeschlagen«, sagte ich. »Ich verlange Ablösung, ich habe die Nase voll. Rodenstock, eine Frage: Du nimmst also an, dass der Mörder zu Pferd unterwegs war. Oder fuhr er mit einer Kutsche oder so was?«
    »Ich nehme an, er ritt«, antwortete er.
    »Dann musst du eine Doppelschicht schieben hier unten. Denn dann haben sie den Sattel auch vergraben, und zumindest die Metallteile müssen zu finden sein.«
    »Alter schützt vor Torheit nicht«, murmelte er und kam in die Grube hinunter.
    »Emma, Geliebte, sortier doch schon mal die Knochen.«
    »Das kann nicht dein Ernst sein, das ist niedere Arbeit.«
    »Dann diktier mir einfach!«, forderte Esther. »Wir machen zwei Häufchen. Links der Gaul, rechts der Mann. Das mag ich.«
    Und sofort begann die Litanei: »Tutut, Gaul, Gaul, Tutut... «
    Ich streckte mich nahe an einem Weidengebüsch aus, blinzelte ein wenig und drohte dann einzuschlafen. Ich hörte noch, wie Rodenstock sagte: »Baumeister hatte recht. Ich finde hier Schnallen. Und - seht mal - das hier ist ein altes Stück Leder. Ja, damals war das alles noch beste Handwerkerqualität. Jetzt müsst ihr drei Haufen machen: Tutut, Gaul, Sattel, Sattel, Tutut und so weiter.« Den Rest verstand ich nicht mehr. Und dann tauchte Nikolaus auf. Ich habe bei den Ureinwohnern noch nie jemanden getroffen, der den Namen führt, der in seinem Pass steht. Nikolaus, oder Klas genannt, war ein alter Bauer, der seinen Pflug längst an den Nagel gehängt hatte und jetzt nichts anderes tat, als Touristen hinterherzugehen, weil er der Ansicht war, Fremde gehören nicht in die Eifel. Man muss Fremde nicht gerade als Gegner bezeichnen, aber man darf sie auf keinen Fall aus den Augen verlieren.
    Er kam schmal und scharfkantig gegen das grelle Sonnenlicht auf die Fläche, baute sich ungefähr fünfzehn Meter entfernt auf, stemmte die Fäuste in die Hüften und fragte krähend: »Wat soll das dann?« Er war nicht größer als ein Meter sechzig, trug eine dieser modischen Sportkappen mit dem E der Eifel drauf und sah so finster aus, wie sich Kleinkinder einen Waldschrat vorstellen.
    Rodenstock tauchte aus der Grube auf, kletterte schwitzend ans Tageslicht und gab die präzise Auskunft: »Wir suchen was.«
    Emma sagte hell tönend: »Oh, oh!« und wandte sich dann allerliebst an ihre Verwandte. »Wir sollten vielleicht diese Tessa und ihren Ingbert hinzuziehen. Schließlich haben die diesen Fall aus der Taufe gehoben.«
    »Das sollten wir«, murmelte Esther. Irgendwie war sie aus der Fasson geraten, aus dem rechten Auge zog sich eine schwarze Strichzeichnung vom verlaufenen Mascara über ihre Wange. Ein wenig sah sie aus wie eine Freibeuterin, die nicht genau weiß, wie ihre Beute aussehen soll. Sie setzte hinzu: »Das hier gehört wohl zu Tutut.« Dann ließ sie einen mittelgroßen Knochen eines nicht näher bezeichneten menschlichen Bauteils mit einem zarten Kling auf Tututs Haufen fallen.
    Der Klas stand noch immer da, rührte sich nicht vom Fleck. »Also«, krähte er, »was ist das hier?«
    Rodenstock reagierte gemütlich. Er reagiert

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