Der Bann des Zeitreisenden (German Edition)
ausdenken.«
Sie packte die Speisen und Bestecke aus. »Wenigstens bist du ehrlich.«
Jetzt, da er zugegeben hatte, dass er sie verführen wollte, war sie sich seiner Gegenwart nur allzu deutlich bewusst. Marisa betrachtete seine langgliedrigen Finger und entspannte sich. Sie dachte daran, wie diese Finger sie an der Innenseite ihrer Schenkel gekitzelt hatten und dann in ihre feuchte Spalte eingedrungen waren. Sie hatte sich so danach gesehnt, mit ihm zu schlafen. Aber jetzt, da sie es nicht durften, überkam sie eine große Enttäuschung. Zur Ablenkung nahm sie ein Stück Brot und biss hinein; gleichzeitig versuchte sie den Sonnenuntergang zu genießen. »Warum hast du gerade diesen Ort ausgesucht?«
»Ich wollte doch nicht, dass uns dein Bruder wieder stört.« Er reichte ihr eine Serviette. »Und ich will dir etwas zeigen, aber zuerst sollten wir essen. Ich bin schon fast verhungert.«
Sie knabberte an ihrem Brot, nippte am Wein und genoss das Rosa und Gold der versinkenden Sonne. Vor allem aber genoss sie die Vorfreude auf das, was er als Nächstes tun würde.
Gern hätte sie ihn wieder geküsst, hier draußen unter den Sternen, umgeben von den mystischen alten Steinen – und damit von jahrtausendealter Geschichte. Die groben und verwitterten Megalithen verliehen dem Ganzen eine Stimmung von ursprünglicher Rauheit. Aber sie wagte nicht, sich Gefühlen hinzugeben, die die Drachenwandler erneut aufbringen könnten. »Glaubst du, dass die Leute, die diese Steine aufgestellt haben, ebenfalls Drachenwandler waren?«
Er aß den letzten Rest seiner Pastete, leckte sich einen Krümel vom Finger und erstarrte dann. Sein Gesicht zeigte nicht den geringsten Ausdruck.
»Rion?«
Er gab keine Antwort.
Sie fasste nach ihm. »Rion? Ist alles in Ordnung mit dir?«
Die Vision ereilte Rion rasch und heftig. Er sah und hörte, wie sich Marisa zu ihm hinüberbeugte und ihn fragte, ob mit ihm alles in Ordnung sei, aber gleichzeitig zeigte sie ihm eine andere Marisa.
Das Gesicht dieser Marisa war weiß, vor Angst hatte sie die Augen weit aufgerissen. Die Haare klebten ihr im feuchten Gesicht. Eine Schmutzschliere war auf der Wange zu sehen. Zwei Schüsse ertönten, bei jedem zuckte Marisa zusammen. Der dritte traf sie knapp über der Nasenwurzel und drang geradewegs in ihre Stirn ein.
»Rion?« Marisas sorgenvolle Stimme riss ihn aus seiner Vision.
Gütige Göttin, gerade eben hatte er ihren Tod gesehen.
Erschüttert betrachtete Rion ihr wunderschönes Gesicht. Mochte seine Nähe zu ihr der Grund für ihren Tod sein? Rion versuchte klar zu denken. Sollte er ihr mitteilen, was er soeben gesehen hatte?
In der letzten Nacht hatte ihn der Kommunikator unter seiner Haut beinahe bewusstlos gemacht. Marisa war mit der fremdartigen Technologie umgegangen, ohne davon abgeschreckt worden zu sein, doch es war nicht ratsam, dass sie jeden Tag eine neue Kostprobe seiner Absonderlichkeiten erhielt. Selbst wenn er ihr sagte, was er gesehen hatte, würde es sie nur aufregen, und wozu sollte das gut sein? Also schwieg er.
Doch er erinnerte sich an das Muster der Einschüsse, die er beobachtet hatte. Er versuchte sich die Schmutzschliere ins Gedächtnis einzubrennen. Doch möglicherweise würde er gar nicht in der Nähe sein und sie beschützen können, wenn sie starb.
Er hatte einfach zu wenig Informationen. Doch schon vor langer Zeit hatte er aufgehört, seine Visionen zu verdammen. Mit ihnen besaß er doch etwas äußerst Wichtiges – es war mehr, als die meisten Menschen hatten.
Marisa starrte ihn mit einer großen Besorgnis im Blick an.
»Entschuldigung.« Rion schenkte ihnen noch einmal Wein ein. »Diese Steine sind ziemlich spektakulär. Um sie hier aufzustellen, hat es entweder der Fähigkeiten des magnetischen Schwebens bedurft, oder es wurden Antigravitationsmaschinen, gewaltige Kräne oder die Kraft der Drachenwandler dabei eingesetzt.«
Ihr Mund lächelte zwar, ihre Augen aber blickten weiterhin nachdenklich drein. »Für mich ist es schwer vorstellbar, dass es Drachenwandler schon seit so langer Zeit gibt. Ihre Existenz scheint mir etwas völlig Neues zu sein … ich habe nicht das Gefühl, dass sie schon zu Stonehenges Zeiten gelebt haben.«
»Du sagst immer sie – als würdest du selbst nicht zu uns gehören.«
»Es ist ein wenig so wie das Wechseln meiner Haarfarbe.«
»Wie bitte?«
»Mein Haar ist von Natur aus dunkel. Jedes Mal, wenn ich zum Friseur gehe, kommt eine neue Farbe dabei heraus.«
Das
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