Der Bann des Zeitreisenden (German Edition)
»Haben sich die Drachen beruhigt?«
»Ja.« Sie hielt ihm zwei Gläser entgegen, und er schenkte den Wein ein. »Aber ich verstehe noch immer nicht, was sie so aufgeregt haben kann.«
»Das warst du.« Er stieß mit ihr an.
»Ich? Meine Aufgabe ist es doch, die Drachen zu beruhigen. Wie könnte ich sie in Aufregung versetzen?«
»Kurz bevor die Drachen Chaos verbreitet haben, hast du in meinen Armen gelegen.«
»Ja, und?«
Er grinste in das Glas, als könne er sich nicht beherrschen und wisse ganz genau, dass seine Theorie sie sowohl erzürnen als auch verblüffen würde. »Du bist telepathisch begabt, und du hast deine Gefühle ausgesandt.«
Ihre Gefühle?
Kurz bevor Lucan sie abgeholt hatte, hatte sie sich mit Rion in der Hotelsuite unterhalten. Dann hatten sie sich geküsst. Sie hatte den Wein auf seiner Zunge geschmeckt. Seine geschickten Finger hatten ihre Schuppen liebkost und Marisa beinahe zur Raserei gebracht. Sie hatte sich so gut gefühlt. Besser denn je. Aber hatte sie ihr Verlangen und ihre Erregung wirklich Fremden mitgeteilt?
Erstaunt nippte sie an ihrem Wein. »Glaubst du im Ernst, dass … dass das bis zu den Drachen durchgedrungen ist?«
»Ja.«
»Selbst wenn dies stimmen sollte, habe ich keine gewalttätigen Gedanken ausgestrahlt. Die Männchen haben aber gegeneinander gekämpft.«
»Um ein Weibchen.«
»Meine Gedanken waren nicht böse. Du hast die Drachen doch gesehen. Sie hätten sich fast in Stücke gerissen. Nachdem du gegangen bist, haben die Ärzte ihnen große Dosen Antibiotika gespritzt.«
»Was vermutlich nicht notwendig war. Drachenwandler werden schnell wieder gesund.« Er sah sie über den Rand seines Weinglases hinweg an. »Für einen Drachenwandler ist der Kampf so etwas wie ein Vorspiel. Deine Lust hat ihr heißes Drachenblut aufgewühlt. Und dann konnten sie sich nicht mehr kontrollieren.«
Diese Schlussfolgerungen erschütterten sie. »Bist du sicher?«
»Später haben sich die Drachen dann wieder beruhigt. Aber erinnerst du dich daran, wie du dich in meine Arme geworfen hast?«
»Natürlich.« Marisa holte tief Luft.
»Einer der Drachen hat aufgeheult.« Er sprach ganz sanft, als wisse er genau, wie schockierend diese Theorie in ihren Ohren klingen mochte. »Und es ist wieder passiert, als ich dir den Arm auf die Schulter gelegt habe. Deshalb habe ich ihn auch so schnell wieder weggezogen.«
Ihre Hand zitterte so heftig, dass sie das Glas absetzen musste, denn sonst hätte sie den Wein verschüttet. »Also war es ein Fehler, dass wir uns geküsst haben.«
»Nicht für mich.« Wieder sprach er sanft, sein Tonfall klang beinahe spielerisch. »Ich habe es ziemlich genossen.«
Und sie ebenfalls. Aber … »Verdammt. Solange ich nicht gelernt habe, das Aussenden von Gefühlen zu kontrollieren, darf ich dich auch nicht mehr küssen.« Oder Leidenschaft empfinden. Oder lieben. Du lieber Himmel!
»Oder du übst es, mich zu küssen und gleichzeitig die Kontrolle zu behalten.« Seine Worte klangen verführerisch: heiser und sehr eindringlich.
»Ist das möglich?«
Eine leichte Brise zerwühlte ihm die Haare, und er kicherte. »Ich bin nur allzu gern bereit, dir bei diesem Experiment zu helfen – natürlich bloß aus wissenschaftlichen Gründen.«
»Das ist nicht lustig, Rion. Diese Drachen hätten sterben können. Wenn ich mich nicht beruhigt hätte, dann hätten die Wachen sie mit Betäubungsmunition beschossen. Sie wären aus dem Himmel gefallen.« Der Teil der Erdbevölkerung, der sich nicht verwandeln konnte, war den Drachenwandlern gegenüber sehr misstrauisch. Aber – welcher vernünftige Mensch wäre das nicht gewesen? Die Drachen schienen groß und mächtig, und das Feuer, das sie ausstießen, war tödlich.
»Jetzt aber – entspann dich.« Rion deutete auf die untergehende Sonne. Er wühlte in dem Korb und holte frisches Brot, eingelegte Zwiebeln, Hühnchenbraten, Pasteten, Maiskolben und Stachelbeertörtchen daraus hervor. »Wir werden diese Sache untersuchen.«
»Wie?« Enttäuschung durchfuhr sie. Aber sie erinnerte sich daran, dass er all das hier getan hatte, nachdem ihm klar geworden war, dass sie nichts Körperliches miteinander anfangen durften. Das bedeutete wohl doch, dass er mehr für sie empfand als nur körperliche Liebe. »Ich habe jetzt sogar Angst davor, über uns beide nachzudenken.«
»Eine Bande von Drachen kann mich nicht davon abhalten, mit dir zusammen zu sein.« Hitze loderte in seinen Augen. »Wir werden uns etwas
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