Der Bann des Zeitreisenden (German Edition)
hellwach. Das hier konnte nicht die Wirklichkeit sein. Aber sie war es doch. Sie befand sich weit entfernt von Zuhause. Und das war Rions Schuld.
»Warum hast du mich entführt?« Sie sprach leise, aber ihre Wut konnte sie nicht im Zaum halten.
»Ich brauche deine Hilfe.«
»Du hättest mich vorher fragen können.«
»Du hättest Nein gesagt. Und wenn du gewusst hättest, wie sehr ich dich brauche, dann wärest du niemals mit mir nach Stonehenge gegangen.«
Nun wusste sie, warum er sie plötzlich so anders behandelt hatte. Er hatte ihr eine Falle gestellt. Dieser Bastard hatte mit ihr geflirtet, hatte sie geküsst und zu einem großartigen Orgasmus gebracht, nur um sie letztlich nach Stonehenge zu locken – und sie zu entführen.
Verdammt. Da hatte sie geglaubt, sie hätte endlich einen Mann gefunden, dem sie vertrauen konnte – einen edlen Ritter. Aber er hatte sie von Anfang an hintergangen.
»Es tut mir leid, dass ich dich gegen deinen Willen hierhergebracht habe.« Rions Tonfall warb um ihr Verständnis. Aber sie war jetzt überhaupt nicht in der Stimmung, ihm zu vergeben –
und sagte daher nichts. Er aber fuhr fort: »In meinen Visionen sind die Lebensbedingungen auf Ehro schrecklich. Die Männer werden ausgepeitscht, bis sie nicht mehr arbeiten können. Die Frauen und Kinder werden getötet.« Sein Gesicht verhärtete sich. »Ich weiß, dass es falsch war, dich hierherzubringen, aber ich würde alles tun, um mein Volk zu retten.«
War das nur eine weitere Lügengeschichte? Sie ärgerte sich über ihre eigene Dummheit und sagte durch die zusammengebissenen Zähne hindurch: »Was genau willst du von mir?«
»Sobald wir auf meiner Welt angekommen sind, musst du telepathische Botschaften an die Drachenwandler von Ehro schicken. Du musst mir helfen, einen Aufstand anzuzetteln.«
Einen Aufstand? »Das klingt aber gefährlich.«
»Ich werde dich beschützen.«
Konnte sie ihm nach all seinen Lügen noch ein einziges Wort glauben? »Ich bin nicht interessiert«, schnaubte sie. »Schick mich wieder nach Hause.«
Rion drückte einen Mikrochip in ihren Unterarm.
Zu spät wich sie zurück. Das winzige Gerät war bereits schmerzlos in ihre Haut eingedrungen. Obwohl es nicht einmal einen Stich verursacht hatte, rieb sie sich die Stelle und runzelte die Stirn. »Was hast du mit mir gemacht?«
»Ich habe dir einen subkutanen Übersetzer eingepflanzt. Jetzt verstehst du jede Sprache. Und wenn du Englisch sprichst, werden dich trotzdem alle verstehen.«
»Du hättest mich auch vorher fragen können«, murmelte sie, während sich in ihrem Blut eine Eiseskälte ausbreitete.
Dieser öffentliche Platz war ein vollkommen unbekanntes Territorium für Marisa, doch sie war auf der Erde so weit gereist, dass sie alle wesentlichen Bedürfnisse kannte. Die Leute brauchten Nahrung, Unterkunft und Transportmittel. Überdies besaßen die meisten zivilisierten Gesellschaften so etwas wie eine Polizei.
Als eine Gruppe von Einwohnern an ihnen vorbeistürmte, deutete Marisa auf sie. »He, der Mann da winkt dir zu. Ist das Phen, deine Kontaktperson?«
Als sich Rion zu ihm umdrehte, schlüpfte sie in die Gruppe, die gerade vorbeilief. Nach wenigen Augenblicken hatte die Menge sie verschluckt. Ihre Nerven schrien ihr zu, sie solle laufen, aber sie konnte sich am besten verstecken, wenn sie nicht auffiel. So ging sie mit derselben Geschwindigkeit wie die anderen, doch bei der ersten Gelegenheit änderte sie die Richtung und mischte sich unter eine neue Gruppe.
Hinter ihr hörte sie eine laute Stimme und hastige Schritte auf dem Pflaster. Hatte Rion ihren Namen gerufen? Sie war sich nicht sicher, wagte aber nicht, sich umzudrehen und nachzusehen.
Mit rasendem Puls lief Marisa weiter und fühlte sich wie in einem Albtraum. Die Fahrzeuge über ihr wirkten so, als würden sie jeden Moment zusammenstoßen, was aber nie geschah. Kinder zogen glänzende rote Bälle an Schnüren hinter sich her; vielleicht waren es Spielzeuge, Schoßtiere, Computer oder Gefäße, in denen sie persönliche Gegenstände mitschleppten. Sie hatte keine Ahnung.
Als sich eine Hand auf ihre Schulter legte, wurden ihre Knie schwach. Sie drehte sich um, sah aber nicht Rion, sondern einen Mann in einer offiziell wirkenden grauen Uniform mit einigen Abzeichen am Kragen. Ein schwarzer Helm mit einer blauen Plexiglasscheibe verbarg sein Gesicht. Metallplatten schützten seine Brust. Mit dem verchromten Knüppel an seiner Hüfte, dem Messer, das um den Ärmel
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