Der Bann des Zeitreisenden (German Edition)
würde. Das Gebäude würde seine Schwerkraft verlieren, sich hoch über die Stadt erheben und zu einem Teil des Flugverkehrs am Himmel werden. Ohne von dem Stab aufzusehen, den er über Phen hielt, befahl er: »Marisa, halt dich an irgendetwas fest und schließ die Augen.«
»Warum?«, fragte sie statt zu gehorchen.
»Als du den Knopf gedrückt hast, hast du die Verbindung dieses Zimmers mit Phens Haus gelöst. Jetzt reisen wir wie ein abgekoppelter Waggon, aber anstatt Gleisen zu folgen, fliegen wir über die Stadt hinweg.«
Rion fluchte, als Marisa zur Decke glitt. Ihr Blick drückte eher Neugier als Angst aus, sie ruderte mit den Armen und Beinen. »Wohin sind wir unterwegs?«
»Zum äußersten Rand. Halt dich einfach an irgendetwas fest. Ich brauche noch eine Minute.« Rion beendete die Versiegelung von Phens Wunde und spritzte dem Mann ein Schmerzmittel. Phen schloss die Augen und fiel in einen tiefen und hoffentlich heilsamen Schlaf.
Rions Hände waren noch rot von Phens Blut, das Sprechen fiel ihm schwer. Er hatte schon zu viele Menschen verloren, die ihm nahestanden. Da durfte er nicht noch einen weiteren Freund verlieren.
Rion wickelte Phen in ein Laken, damit er nicht schwerelos umhertrieb. Dann griff er nach oben, packte Marisas Fuß und zog sie sanft wieder zu Boden. Natürlich war der Begriff Boden nur noch relativ. Ohne Schwerkraft gab es kein Oben oder Unten mehr.
»Danke.« Sie stand wieder auf den Beinen und hielt sich an einem Sessel fest. Alle Möbelstücke im Raum waren automatisch im Boden verankert worden, als Marisa den Flug ausgelöst hatte. Rion änderte ihre Richtung am Kontrollbord. Er ließ einen Teil der Wand durchsichtig werden, damit sie sehen konnten, wohin sie flogen. Aber er sah gar nicht nach draußen.
Sondern starrte Phen an. »Die Vollstrecker, die auf ihn geschossen haben, werden uns schon auf den Fersen sein. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit. Vielleicht nur ein paar Minuten.«
Marisa spähte aus dem Fenster. »Woran erkennen wir die Vollstrecker hier oben?«
»Siehst du diese kleinen Kapseln?« Rion deutete auf eine solche. »Das sind Einmannflieger, die zwischen den Gebäuden hin und her schwirren. Die Vollstrecker werden in diesen schwarzen Kapseln hinter uns her sein. Halt nach ihnen Ausschau.«
»Eine Einzelne fliegt gerade auf uns zu.« Ihre Stimme klang gepresst, aber nicht panisch. »Nein, sie ist vorbeigeflogen.«
»Pass aber weiter auf.« Rion legte das Ohr an Phens Mund und Nase. Sein Atem ging gleichmäßig, doch der Verband war bereits blutdurchtränkt. »Phen gehört unbedingt ins Krankenhaus.«
Sie warf einen Blick auf seinen Onkel. »Werden die Vollstrecker ihn verhaften, wenn wir ihn dorthin bringen?«
»Ja«, hustete Phen zur Antwort und öffnete die Augen. »Ihr beiden müsst fliehen. Geht zu Drake.«
Rion ergriff Phens Hand. »Ich lasse dich aber nicht allein.«
»Doch.« Phen drückte seine Hand. »Das wirst du tun.«
»Nachdem ich Erik verließ, habe ich geschworen, dass ich niemals wieder jemanden im Stich lasse.« Rion schnürte es die Kehle zu. »Ich kann noch immer nicht glauben, dass er versklavt ist und ich in Freiheit bin.«
Phen hob Rions Hand an seine Lippen und küsste sie. »Ich bin froh, dass du hier bist. Jetzt drück den Feueralarm und geh. Der Brandmeister ist ein alter Freund von mir. Er wird mich vor den Vollstreckern beschützen.«
»Ich habe gesagt, ich verlasse …«
»Du musst dich beeilen.« Er hustete schon wieder. »Wenn ihr entkommen wollt, müsst ihr euch in Drachen verwandeln. Ich bin nicht mehr stark genug dazu.«
»Sie sind auch ein Drachenwandler?« Marisa riss die Augen auf.
»Das liegt in der Familie«, murmelte Phen und sah wieder Rion an. »Genau wie unsere Dickköpfigkeit.«
Rion presste die Lippen zusammen. »Du kannst auf mir reiten.«
»Ich bin zu schwach, um mich festzuhalten. Ich will nicht der Grund sein für …«
»Genug.« Mit fester Stimme versuchte Rion dieses Gespräch zu beenden.
»Entweder ihr flieht, oder ihr werdet gefangen genommen. Du bist es den Ehroniern schuldig …«
»Du musst mich nicht an meine Pflichten erinnern«, fuhr ihn Rion an.
Wütend und frustriert darüber, dass ihm keine andere Wahl blieb, ging Rion zur Wand hinüber. Er drückte den Alarmknopf, musste dabei mit den Knöcheln die Glasplatte darüber zerbrechen und hieß die Schmerzen willkommen, die im Vergleich zu den Schmerzen in seinem Herzen allerdings nichts waren.
Phen war vermutlich sein letzter noch
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