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Der Bastian

Der Bastian

Titel: Der Bastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Noack
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vorbei, der Fahrer mit
Schlips auf nackter Brust schaute sich Katharina gründlich an, dann winkte er
und schoß davon wie auf dem Nürburgring. »Alter Angeber!«
    »Kennen Sie ihn?«
    »Flüchtig.« Und nach kurzem Überlegen: »Es ist
mein großer Bruder. Aber wie Brüder standen wir nie — wir hatten nur zufällig
dieselben Eltern.« Er sah Katharina an. »Karl macht Zähne. Darum nenn’ ich ihn
Klappzahn. Das ärgert ihn, wissen Sie!«
    »Und wo fahren wir jetzt hin?«
    »Och, irgendwohin, wo ich ungestört auf Sie
einreden und Bier trinken kann.« Er rutschte in seinen Sitz hinein, ließ die
Arme zwischen den Knien durchhängen und sah Katharina sehnsüchtig an. »Ich hab’
Ihnen ja so viel zu sagen.«
     
    Um es gleich vorwegzunehmen — er kam an diesem
Abend nicht dazu.
    Im Biergarten in Grünwald draußen unter
Kastanienbäumen, denen man oberhalb der Brauen den Kopf gestutzt hatte, waren
sie noch beim Lesen der Speisekarte, als ein jüngeres Ehepaar mit Hund
hereinkam. Die Frau brach in Jubel aus, als sie Katharina sah.
    »Nein — so ein Zufall — die Kathi — (wir haben
zusammen das Abitur gemacht, Schorschi, weißt du) — ja, sag —! Lebst du in
München? Und ich hab’ das nicht gewußt — darf ich vorstellen — das ist — sehr
angenehm — guten Abend — .«
    Sie standen so lange am Tisch, bis Katharina
sagte: »Wollt ihr nicht Platz nehmen?«
    »Wenn wir nicht stören?« und saßen, ehe Bastian
sagen konnte: »Sie stören sogar sehr!«
    Menschen, mit denen man das Abitur gemacht hat,
müssen nicht unbedingt Menschen sein, mit denen man seinen weiteren Lebensweg
zu teilen wünscht. Zwölf Jahre lang hatten sich die beiden Frauen weder gesehen
noch vermißt. Ausgerechnet heute —!
    Sie tranken Bier und aßen Spanferkel, die
Knochen kriegte der Hund. Dabei erzählten sie von lauter Leuten, die Bastian
nicht kannte. An ihn dachte niemand. Es sprach ihn nicht mal einer an.
    Langsam kamen ihm Zweifel, ob Katharina Freude
den ganzen Aufwand wert war, den er getrieben hatte, um ihr näherzukommen — von
Elses Totalschaden ganz zu schweigen.
    Er zerkleinerte vor lauter Enttäuschung einen
feuchten Bierfilz und schnippte die Fitzel mit Hilfe eines Zahnstochers über
den Tisch und Katharinas blöden Freunden an den Kopf. Die fühlten sich
irritiert, aber nicht genug, um sich zu verabschieden.
    Als er schon verzweifeln wollte, sagte
Katharina: »Es wird Zeit. Ich muß früh heim. Wir operieren morgen vormittag.«
Und dabei sah sie Bastian zwinkernd an.
    »Müssen Sie wirklich heim?«fragte er, als sie
zum Wagen gingen.
    »Ja, aber noch nicht gleich. — Das war kein
schöner Abend für Sie.«
    »Zum Kotzen. Vor allem dieser Typ da, der Mann
Ihrer Schulfreundin. Quatscht pausenlos von seinen Tennisturnieren. Ja, wen
interessiert denn das!? Und Sie haben ihn auch noch gelobt.«
    »Was sollt’ ich denn machen?«
    »Ihn weniger loben«, beschwerte er sich.
»Spielen Sie Tennis?«
    »Ja — wenn ich Zeit habe. Und Sie?«
    »Nein, aber ich kann Ohrenwackeln.«
    Katharina blieb stehen und sah ihm interessiert
auf die Mähne. Bastian strich sie von den Ohren und konzentrierte sich.
Katharina griente.
    Bastian mußte lachen. Aus war’s mit dem
Ohrenwackeln. Bastian hörte auf zu lachen. »Ich mag Sie, Kathinka.«
    Sie sagte nichts dazu, ging um den Wagen herum,
sehr zierlich und rockschwingend. Und duftete so schön. Er wäre zu gern einmal
mit allen fünf Fingern durch ihr blondes, lockeres Haar gefahren, gegen den
Strich natürlich.
    Katharina schloß den Wagen auf, stieg ein und
öffnete den Riegel von seiner Tür. In diesem Augenblick kam ein Mädchen
angerannt.
    Hochtoupiertes Haar. Ein Busen, schwer wie zwei
gefüllte Tragetaschen, auf dem beim Laufen Kettchen hüpften. Minirock und
stramme Beine. Krautstampfer, sozusagen. Schuhe mit Fünfzehnzentimeterhacken.
    Es winkte und rief hallo, und Bastian dachte,
zutiefst erschrocken: Meint die etwa uns?
    »Fahrn Sie Richtung Stadt, ja? Könnse mich
mitnehmen? Jeht dat? Ich war im Lokal. Mein Bekannter is sich am Vollaufen. Der
aufm Soffa.«
    Bastian sagte: »Wir wollten eigentlich-.«
    Aber Katharina sagte: »Steigen Sie ein.«
    Das Mädchen klemmte sich auf den Notsitz und
sprach fließend zwischen ihren Köpfen nach vorn. (Warum wohl Leute, die man
mitnimmt, sich immer verpflichtet fühlen, einen zu unterhalten!?)
    Sie war aus Wuppertal, seit zwei Jahren in
München, zur Zeit bei Karstadt in der Wäscheabteilung, und stocksauer auf ihren
Freund, weil er

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