Der Bastian
uns
schon irgendwie unterbringen.«
»Na fein.« Katharina Freude wünschte Susi viel
Glück und ging den Flur hinunter.
So bekam sie nicht mehr mit, wie Bastian
Guthmann aus dem Fahrstuhl stieg mit einem so eindeutig bedepperten
Gesichtsausdruck, daß Susi bloß »Ach Gott« hauchte.
»Deine Sachen sind unten im Taxi«, sagte er.
»Sie hat mir alles nachgeschmissen. Der Lampenschirm hat ein Loch davon. Tut
mir leid.«
Susi nickte und suchte in den Taschen ihres
Morgenrocks. Sie sucht ein Taschentuch, ahnte er alarmiert, gleich gibt es
einen Wolkenbruch, der mich am Fortgehen hindert. Ich muß aber weg. Ich fahr’
schließlich Taxe, um Geld zu verdienen. Ich brauche Kundschaft, nicht schon
wieder Probleme.
»Was soll nun werden?« In Susis Stimme fielen
die ersten Tropfen. »Wo sollen wir morgen hin?«
»Hast du denn keine Freunde in München, bei
denen du bleiben kannst, bis du was Neues hast?«
»Wer nimmt mich schon mit Baby!«
Bastian nagte an der Unterlippe.
»Wenn du Geld brauchst — ich hab’ ‘nen
Bekannten, der schuldet mir seit Monaten siebzig Mark. Ich ruf’ ihn an, ja?«
»Ach Bastian, was soll ich mit ungewissen
siebzig Mark!?«
»Nimm dir ein Zimmer in einer Pension.«
»Das ist doch alles illusorisch!«
Er sah sich um.
»Kannst du nicht leiser heulen?«
»Wenn wenigstens deine Großmutter da wäre«,
schluchzte Susi. »Sie meint es so gut mit uns!«
»Von deinem Vater hast du dreihundert Mark
gekriegt«, erinnerte er sich.
»Du redest von Geld, wo ich menschliche Hilfe
brauche!« Sie putzte ein Auge nach dem anderen und sah ihn an wie
erdbebengeschädigt.
»Können wir nicht bei dir, Bastian-?«
Das war’s, was er im Unterbewußtsein die ganze Zeit
befürchtet hatte, er kannte ja sein Schicksal.
»Bei mir? Du hat wohl ‘n Kaiser gesehen! Mein
großes Zimmer ist vermietet, das andere reicht gerade für mich. Und die Kammer
— .«
»Die Kammer würde völlig genügen«, hakte Susi
sofort ein. »Es ist ja nur für ein paar Tage — bis ich was Passendes gefunden
habe.«
»Es geht wirklich nicht«, sagte Bastian und
dachte an Katharina
Freude. Wie sollte er mit ihr telefonieren, wenn
Susi Schulz daneben saß? Wie sollte sie ihn je besuchen — denn, das wußte er
aus Erfahrung, wer erst einmal bei ihm wohnte, zog so bald nicht wieder aus.
»Nein, Susi. Unmöglich.«
»Ich ersetz’ dir eine Putzfrau... kochen,
abwaschen, saubermachen... Überleg mal, was du sparst, wenn du mich hast.«
Bastian sparte nichts, weil er noch nie eine Putzfrau gehabt hatte.
»Susi, so leid’s mir tut, ich kann dir nicht
helfen. Und ich muß jetzt auch weg. Deine Sachen gebe ich da unten ab...«
Susi sagte gar nichts. Weinte auch nicht mehr.
Stand bloß da, und das war schlimmer.
Ein Lied fiel ihm bei ihrem Anblick ein.
»Mariechen« fiel ihm ein.
»Mariechen saß weinend im Garten,
im Grase lag schlummernd ihr Kind.
Mit ihren goldblondenen Locken
spielt säuselnd der Abendwind.
Sie war so müd und traurig,
so einsam, geisterbleich...«
So einsam, geisterbleich stand Susi da. Eine
echte Verantwortung für jeden, der ein Gewissen hatte.
Wenn du mich nicht aufnimmst, dann —!
Familienleben
Bastian gehörte nicht zu den spontan Guten, die
sich fremde Schicksale freiwillig aufluden. Ihm wurden solche Schicksale vom
Schicksal einfach untergejubelt, ohne daß er in seiner heiteren Unbekümmertheit
anfangs etwas davon merkte. Bis sein eigenes Schicksal unter dem aufgehalsten
Schicksal zu leiden begann.
Scheiß-Schicksal. Immer traf es ihn.
Aus drei Stockwerken schauten Mieterinnen zu,
als er am nächsten Tag mit Susi, Kathrinchen und ihren Habseligkeiten vor
seinem Haus vorfuhr. Während er Koffer, Ölbild, Babywaage, Körbchen, Stehlampe
und Wanne auf den Bürgersteig lud und zuletzt Susi mit Kathrinchen auf dem Arm
aus der Taxe half, schaute er einmal am Haus hoch und erkannte Frau Montag,
Frau Steinbeißer und die Lopinsky und dachte ergeben »na schön«.
Bastian lud die Badewanne voll, bis ihr Inhalt
beim Tragen unter seinem Kinn einen zusätzlichen Halt fand, versuchte
vergebens, sich irgendwo seine juckende Nase zu reiben, und sagte: »Da kann ich
jetzt machen, was ich will: Für unsere Haustratschen bin ich der Vater.«
Er stieß die Tür mit dem Fuß auf und wartete auf
Susi, die zu den Damen Lopinsky, Montag und Steinbeißer hinauflächelte.
Nachdem sie alles in seinem Flur abgestellt
hatten und wieder zu Atem gekommen waren, lernte Susi die Wohnung
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