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Der Bastian

Der Bastian

Titel: Der Bastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Noack
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Stunde.«
    »Dann bin ich vielleicht doch im falschen?«
    Er sah sie verzweifelt an. Für so viel
Altersstarrsinn war sie eigentlich noch nicht alt genug.
    Bastian verließ den Waggon und baute sich vor
dem Gangfenster auf, aus dem sie schaute, nun wieder zahm, weil überzeugt, im
richtigen Zug zu sein.
    »Du mußt nicht warten, bis ich abfahr’.«
    »Wann kommst du wieder?«
    »Wenn ich mit allen Verwandten zerstritten bin.«
    »Also noch diese Woche.«
    »Das ist leicht möglich«, sagte sie. »Um was ich
dich bitten wollte — kümmere dich um die Susi und ihr Kind. Morgen werden sie
entlassen.«
    »Jaja«, sagte Bastian.
    »Nicht >jaja< — tu’s wirklich. Sie braucht
dich so sehr.«
    »Wieso immer mich — wieso nie die andern!?«
    »Du wirst sie nachher anrufen, hörst du, Bub?
Sie ist ein liebes, nettes Mädchen. Sie mag dich sehr. Weißt du, was ich mir
überlegt habe? Susi wäre die richtige Frau für dich.«
    Bastian warf ihr einen Blick an den Kopf und
wollte wortlos scheiden, aber Großmutter rief ihn zurück. »He — du! Wir haben
uns noch nicht verabschiedet.«
    »Also schön. Gute Reise, Martha, und bleib
sauber.«
    »Blöder Hund!« Sie lächelte zärtlich.
    Bastian ging den Bahnsteig hinunter, wie kein
erwachsener Mensch zu gehen pflegt — ein wenig schlenkernd, jeden Augenblick
bereit, loszurasen, immer etwas findend, was er vor sich her ballern konnte.
    Einmal blieb er stehen und winkte zurück.
     
    Im Ärztezimmer war nur der Oberarzt Weißbart,
als Katharina hereinkam. Er kippelte mit dem Stuhl und spuckte Kirschkerne in
den Papierkorb schräg gegenüber. Meistens traf er ihn. Weißbart hielt Katharina
seine Tüte hin. »Da ist ein Päckchen für Sie gekommen. Liegt auf dem
Fensterbrett.«
    »Danke.«
    Sie öffnete das kleine Paket.
    Es enthielt einen Karton mit einer Puppe in
weißem Kittel. Drumherum waren eine Spritze, ein Stethoskop, Verbandmaterial
und eine Haube sowie Arzneifläschchen am Kartonboden befestigt.
    Dazu ein Zettel:
    »Liebe Katharina, kaum sehe ich einen weißen
Kittel, sehe ich Sie vor mir. Wann sehe ich Sie endlich wieder? Rufen Sie mich
an?
    Dies wünscht sich von Herzen
    Guthmann, Bastian
    PS. Statt Blumen.«
     
    Katharina nahm die Puppe heraus und zeigte sie
ihrem Kollegen.
    »Schaun Sie mal. Von einem sehr reizenden jungen
Mann.« Weißbart sammelte gerade die herumliegenden Kirschkerne ein. Er richtete
sich auf, guckte erst desinteressiert die Puppe an. — »Niedlich« — und dann um
so interessierter Katharina selbst. »Sind Sie verknallt?«
    Katharina überlegte einen Augenblick, der
verträumt begann und sachlich-bedauernd endete. »Ja. Bißchen schon. Aber es hat
keinen Sinn. Er ist zu jung für mich — nicht nur altersmäßig. Was soll ich mit
einem verspielten jungen Hund.«
    Weißbart dachte: »Und wegen einem >verspielten
jungen Hund< dürfen wir seit Tagen unter der miserablen Laune des Chefs
leiden.«
     
    Als Bastian die Wohnungstür aufschloß, klingelte
das Telefon. Er rannte, beladen mit Tüten, ins Zimmer. Die Tüten stellte er auf
den Tisch, sie kippten um. Zitronen, Tomaten, Kirschen trudelten auf den
Fußboden.
    Erwartungsvoll riß er den Hörer hoch. Aber es
war nicht Katharina, sondern Susis weinerliche Stimme, die fragte: »Bist du’s,
Bastian? Ich muß dich sprechen! Es ist was Schreckliches passiert. Ein Brief
von meiner Wirtin. Sie kündigt mir das Zimmer. Fristlos.«
    »Kann sie doch gar nicht«, sagte er.
    »Wir haben ja keinen Vertrag«, jammerte Susi.
»Sie schreibt, Mutter mit Säugling wäre ihr zuviel. Außerdem braucht sie das
Zimmer selbst.« Geräuschvolles Schnauben. »Was soll ich denn jetzt machen,
Bastian? Wir kommen morgen hier heraus und wissen nicht, wohin.«
    »Scheiße.«
    »Wie?«
    »Ruf sie an, und quassel sie weich.«
    »Das kann ich nicht«, schluchzte Susi. »Du mußt
uns helfen. Geh du zu ihr.«
    Bastian, den Hörer zwischen Ohr und Schulter
geklemmt, suchte Früchte um Stuhl- und Tischbeine herum vom Boden auf. »Ich?
Ich kenn’ sie ja gar nicht.«
    »Bittebitte, Bastian, du mußt! Red mit ihr von
Mensch zu Mensch. Du kannst das bestimmt wunderbar. Sag ihr, wenn sie
Kathrinchen und mich nicht aufnimmt, sitzen wir praktisch auf der Straße.«
    »Aber du hast doch die Miete für diesen Monat
bezahlt. Da darf sie dich ja gar nicht rausschmeißen.«
    »Ich hab’ sie eben noch nicht bezahlt«, heulte
Susi.
    Bastian unterdrückte einen Fluch.
    »Fährst du?«
    »Also ja — «
    Sofort fiel Sonnenschein auf Susis

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