Der Bastian
aufzunehmen — dieser käsige Geruch in der Wohnung — die
viele Wascherei — nein, Herr Guthmann, nein.«
Sie stand auf und schoß fünf abwehrend
gespreizte Finger gegen Bastian ab, der sich den verdammten Schlips lockerte.
Er sah Frau Ruppel sehnsüchtig an. Er hätte sie
zu gern verhauen.
»Sparen Sie sich Ihren Schmus, Herr Guthmann.
Gekündigt ist gekündigt. Fräulein Schulzes Sachen können Sie gleich mitnehmen.
Bitte sehr.«
Sie ging voran in Susis Zimmer. Bastian ging ihr
nach.
»Also gut«, sagte er. »Sogar besser so. Im
Grunde kann die Susi froh sein, daß sie aus diesem Muff herauskommt.«
Der Rest dieser von Bastian so zierlich
begonnenen Unterhaltung mit Frau Lita Ruppel explodierte in einem lauthalsen
Austausch geradezu spitzfindiger Sottisen, die durch die weitgeöffneten Fenster
den Nachbarn in ihren Gärten und den übrigen Hausbewohnern viel Freude
bereiteten, bis Fiffis schrilles Gekläffe wie ein Störsender dazwischenfuhr.
Das Ganze endete in einem Rausschmiß.
Zuerst ging die Haustür auf, und Frau Lita
keifte: »Rausraus-raus!«
Dann stürmte Bastian vor — soweit zwei schwere
Koffer, ein Ölbild mit Rahmen und eine Stehlampe ihn nicht am Stürmen
hinderten.
Dann flog ihm ein Sofakissen nach, das Susi
gehörte.
Dann erschien der Minipinscher und dann Frau
Lita persönlich.
»Flegel«, schrie sie, »Terrorist! Die Schulz
wird mal schlimm enden, wenn sie sich mit solchen wie Ihnen einläßt!«
»Zimtziege!« schmiß Bastian um den seine
Schulter wie ein Gewehr überragenden Stiel der Stehlampe zurück. »Gewitterhexe,
vertrocknete! Sie rascheln ja schon!«
Frau Litas Stimme überschlug sich, während sie
ihren Pinscher antrieb: »Faß, Fiffi, faß!!«
Es war wie bei einem Feuerwerk. Nach dem großen
Schlußgeknatter bricht es plötzlich ab, bricht Stille aus, erschöpftes Dunkel
am Himmel, aus dem noch ein paar rote Tropfen rinnen und dann verlöschen.
Während Bastian in diplomatischer Mission bei
Lita Ruppel weilte, hatte Susi ihre nervöse Spannung auf den Fluren der
gynäkologischen Abteilung abgelaufen. Dabei begegnete sie Katharina Freude, die
stehenblieb und sie prüfend ansah.
»Ist was? Ist Ihnen nicht gut?«
»Mir ist furchtbar«, seufzte Susi. »Stellen Sie
sich vor, meine Wirtin hat mir fristlos gekündigt. Per Einschreiben. Stellen
Sie sich vor!«
»O weh«, sagte Katharina. »Darf sie das
überhaupt?«
»Was heißt dürfen! Selbst wenn ich mit
Polizeigewalt bei ihr einziehen würde, sie fände schon ein Mittel, mich
rauszuekeln. Sie kann wie ein Vampir sein!«
Katharina sah kurzfristig etwas mit steilen
Vorderzähnen vor sich.
»Jetzt steh’ ich da. Und mein Kathrinchen!«
Susis Augen füllten sich.
Obgleich sich ihre äußerlichen Reize zur Zeit
noch unter fettigen Haaren und einer Pummelfigur im nicht ganz sauberen
Morgenrock verbargen, so war doch ihre weibliche Hilflosigkeit präsent. Susi
fuhr sie wie ein Geschütz gegen jeden auf, der ihr begegnete und Anteil nahm an
ihrem Schicksal: Wenn ihr mir und meinem Baby nicht helft, schadet es euch gar
nichts, wenn ich aus lauter Verzweiflung was Schlimmes anstelle.
Katharina, die Tüchtige, Vernünftige,
Verantwortungsbewußte, beinah Emanzipierte, die sich täglich Mühe gab, ein wenig
mehr von den Vorurteilen, Konventionen und tief eingestickten Lebensregeln
ihrer gutbürgerlichen Erziehung loszukommen — Katharina begegnete staunend
Susis Mutterreh-Blick. So also machte es ein hilfloses Weibchen. Es zwang
seiner Umgebung die Verantwortung für seine eigenen Probleme auf: Nun sorgt mal
schön für mich.
Katharina sagte: »Wenn Sie nicht wissen wohin,
dann sagen Sie es mir. Meine Eltern haben ein Haus in Großgmain. Da stehen ein
paar Zimmer leer, seitdem meine Schwestern und ich fort sind. Sie können sich
dort erholen, Kathrinchen hätte es prächtig — allein die gute Luft — , und mein
Vater ist Arzt.« Um Susi das Dankesagen zu ersparen, fügte sie hinzu: »Ich
fühl’ mich schließlich verpflichtet für ein Baby, dem man meinen Namen
aufgezwungen hat.«
Ihre Sorge — den Dank betreffend — war
überflüssig gewesen. Susi sagte: »Das ist nett von Ihnen, Fräulein Doktor, aber
ich hab’ ja den Bastian.«
»Bastian?« Katharina begann nachzudenken.
»Frau Guthmanns Enkel, Sie wissen schon. Er ist
gerade bei meiner Wirtin und versucht, sie umzustimmen. Er ist ja so
diplomatisch, der wickelt jeden ein, wenn er will.«
»Meinen Sie?«
»Und wenn es ihm nicht gelingt, wird er
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