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Der Bastian

Der Bastian

Titel: Der Bastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Noack
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Tränen.
»Wart, ich geb’ dir die Adresse, hast du was zum Schreiben da? Und bitte, wenn
du hingehst, zieh dir einen seriösen Anzug an. Sie mag das, Bastian, hörst du?«
    Aberder Vater,der Urheber des ganzen Umstands,
saß in Köln und brauchte sich um nichts zu kümmern.
    Das wurmte Bastian am meisten.
     
    Susis Zimmerwirtin hieß in den dreißiger Jahren
Lita Novena und war als Vamp im Kino tätig gewesen. In Nebenrollen. Jetzt hieß
sie Ruppel. Das lag an ihrem verstorbenen Mann. Lita Ruppel.
    Sie rollte das R und hielt sich im Gespräch an
einer superlangen Zigarettenspitze fest. Es gelang ihr, keinen natürlichen Ton
aus ihrem Mund fallen zu lassen. Die Augenbrauen trug sie wie in ihrer
Glanzzeit ausrasiert und bis zu halber Stirnhöhe nachgezogen. Dazu Kirschmund.
Und falsche Wimpern. Lita Klapperauge hieß sie unter Freunden.
    Da die Mode aus Mangel an neuen Einfällen eine
Vergangenheit nach der anderen kopiert und da gerade die späten dreißiger Jahre
dran waren, wirkte Lita Ruppel fast aktuell. Nur eben alt und schlecht geliftet.
Ein boshafter, spindeldürrer, dunkellila Typ mit großen Puffärmeln.
    Bastian erinnerte sich bei ihrem Anblick daran,
daß er Angst vor Spinnen hatte.
    »Guthmann.«
    Und schon saß er auf ihrem Sofa.
    Sie wußte noch nicht, was sie von ihm zu
erwarten hatte. Investment? Lebensversicherung? Staubsauger?
Zeitschriftenabonnement? Oder war er der Sohn des neuen Hauswirts? Auf alle
Fälle war er süß in seinem gequälten Charme. »Whisky?«
    »Ja, bitte.«
    »Mit Eis? Soda? Wasser?«
    »Eis und Soda, bitte.«
    Wie verklemmt er dasaß. Lita Ruppel hatte immer
Männer mit kleinen Fehlern — egal wo — bevorzugt. Sie waren hinterher so
dankbar.
    Während sie das Getränk an einer neuspanischen
Hausbar herstellte, sah er sich in ihrem Wohnraum um. Lauter Nippes und
exotische Konfektion.
    An der Tür kläffte es. Lita Ruppel öffnete. Ein
Rehpinscher schoß auf Bastians Sonntagshosenbeine zu und attackierte sie.
»Fiffi! Ruhig! Du bist ein ganz böser Bub! Fiffi!!! Er verträgt den Föhn nicht,
wissen Sie, vertragen Sie ihn auch nicht?« Lita fing den Minikläffer auf ihren
Schoß und wechselte ein Lächeln mit Bastian.
    »Ist Ihr Gatte Seemann?« fragte er, sich
umschauend.
    »Nein, wieso? Ich bin Witwe.«
    »Wegen der vielen Reiseandenken hier.«
    »Ach die. Die hab’ ich selbst zusammengetragen.
Ich war schon überall — Fiffi, sei doch mal ruhig, Mutti möchte auch was sagen
— , ich kenne die halbe Welt von Mallorca bis Thailand. Sie auch?«
    »Leider nein.« Außer 14 Tage Kreta (mit Juscha
damals) war ihm so ziemlich alles fremd. (Und da hatten sie sich pausenlos
verkracht. Weil Juscha sich was anderes unter Griechenland vorgestellt hatte
als Kreta. Ihm gefiel’s. Katharina hätte es auch gefallen...)
    »Gnä’ Frau, ich komme wegen Ihrer Untermieterin
Schulz.«
    »Ach so — .« Sie war ernüchtert. »Sind Sie der
Vater?«
    »Nein. Susi hat mich nur gebeten, mit Ihnen zu
sprechen. Ihre Kündigung kam sehr plötzlich.«
    »Herr — wie war doch der Name?«
    »Guthmann.«
    »Herr Guthmann!« Lita lehnte sich in einen
Haufen verschiedenfarbiger Kleinkissen und pfiff durch die Nüstern — die ganze
Person war eine schreckliche Übertreibung. »Es gibt Grenzen. Auch im
Untervermietungswesen. Ich hielt Fräulein Schulz für ein anständiges, ruhiges
Wesen — und dann, kaum in den Ferien, lernt sie einen Mann kennen — läßt sich
mit ihm ein — . Ich hätte sie nicht für so töricht gehalten.«
    »Anner Leuts Töchter tuns immer — unser Marile
emol — batsch«, sagte Bastian.
    Sie sah ihn an. »Wieso >batsch    »Weil es meistens den Anständigen passiert.«
    »Und warum hat sie ihn nicht geheiratet?
Schließlich ist er Referendar.«
    Bastian suchte zum letztenmal das Gemüt in Lita
Ruppels grellem Blick — fand keins, sprach trotzdem auf gut Glück von Mensch zu
Mensch, wie Susi gefordert hatte. Er sagte: »Gnädige Frau. Eine so charmante,
moderne, aufgeschlossene Dame wie Sie — .« Die Wirkung seiner Worte war
sekundenlang spürbar. Sie ließ Aggressionen schmelzen. Erweckte weibliche
Hoffnungen. »Behalten Sie die Susi wenigstens so lange, bis sie eine neue
Bleibe gefunden hat.«
    Das machte alles wieder kaputt.
    »Nein, Herr Guthmann.«
    »Aber Sie können doch nicht Mutter und Säugling
auf die Straße setzen.«
    »Was heißt, ich kann nicht? Wollen Sie mir
Vorschriften machen, ja? Zeigen Sie mir das Gesetz, das mich zwingt, einen
schreienden Säugling

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