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Der Bastian

Der Bastian

Titel: Der Bastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Noack
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Isarauen oder den Englischen Garten —
lauter ebenerdige, gepflegte Wege.
    Glückliche Susi.
    Und erst Kathrinchen. Das wurde gefahren!
     
    Da, wo der Wald aufhörte, saß Katharina auf
einer steilen Alm zwischen kleinen Felsen und kurzhalsigen Blümchen. Der Wind
wehte ihr Haarbüschel ins Gesicht. Sie schaute so zufrieden um sich, als ob sie
das, was sie sah, alles selbst gemalt hätte.
    »Na?«
    Bastian warf sich neben sie auf den Abhang und
keuchte. »Jetzt haben wir schon die obere Baumgrenze erreicht«, sagte Katharina.
    Die Bäume haben’s gut, dachte er, die haben
wenigstens eine Grenze und müssen nicht noch höher.
    »Wollen wir eine Pause machen?«
    »Ja.« Er lag flach da, mit ausgebreiteten Armen,
im Blick nichts als Wolken und schwarze, kreisende Vögel.
    Das wären Dohlen, sagte Katharina.
    Auch so was wußte sie.
    Und packte den Rucksack aus. Thermoskanne mit
heißem, süßem Tee. Schinkenbrote mit Schleppe. Harte Eier — also immer noch
kein Ausflug ohne harte Eier.
    Bastian zog den Salznapf aus der Hosentasche.
Das war sein Beitrag zu diesem Picknick.
    Dann saßen sie nebeneinander und kauten und
guckten das Panorama an. Die höchsten Zacken alpiner Laubsägearbeit lagen in
den Wolken.
    »Nun sagen Sie schon was.«
    Bastian sagte: »So steil hab’ ich noch nie
gefrühstückt.«
    »Eher würden Sie sich die Zunge abbeißen, als
daß Sie zugäben, daß es wunderschön hier oben ist.«
    »Es ist wunderschön, aber ist es noch weit bis
zum Gipfel?«
    »Höchstens eine halbe Stunde.«
    »Gibt’s da oben was anderes als Blick?«
    »Eine Hütte.«
    »Mit Bier?«
    »Ich denke schon.«
    Bastian trank einen Schluck Tee und stellte sich
vor: »Eine nicht zu steile, einsame Hütte mit Bier, wir beide ganz allein — und
in der Ferne jodelt einer.«
    An sich wäre er gern noch liegengeblieben. Er
mußte nicht auf einen Gipfel. Zumindest trieb ihn kein Ehrgeiz dazu, höchstens
der Gedanke an ein kühles Bier.
    Die letzten hundert Meter waren geröllig, sehr
steil — vor allem der Blick in den Abgrund nichts Vertrauenserweckendes, woran
man sich festhalten konnte, wenn man so schwindlig war wie Bastian Guthmann,
das Kind aus der Ebene.
    Kam denn nicht endlich die Hütte mit dem
versprochenen Bier?
    Katharina bemerkte sein Dilemma und nahm ihn an
die Hand. Und das fand er nun wieder ganz schön.
    »Gleich sind wir da«, versprach sie, während sie
ihn um einen Felsvorsprung herumführte.
    Bastian glaubte zu träumen, als er danach sah,
was er sah. Vor ihnen breitete sich ein weichgeschwungenes Plateau aus, schön
grün und saftig, und darin die Hütte.
    Die Hütte war ein Bau mit mehreren
Sonnenterrassen und lärmendem Ausflugsbetrieb auf diesen Terrassen. Kinder
kreischten, Hündchen tollten, und die Bedienung mußte so viele Bierkrüge
stemmen wie auf dem Oktoberfest.
    Und das bereits um neun Uhr dreißig.
    Bastian war erschüttert. »Wo kommen denn die
vielen Menschen her? Sind die etwa alle zu Fuß? Die Kinder auch?«
    »Nein«, sagte Katharina, »mit der Seilbahn.«
    »Man kann also ganz einfach und ohne Strapazen
mit der Seilbahn hier herauf?«
    »Ja. Aber das ist doch langweilig.«
    Er sah sie an und konnte plötzlich nicht mehr
ihre Unschuldsmiene ertragen. Ihre fabelhafte Sportlichkeit. Ihren sanften
Zynismus.
    »Sie haben mir eine einsame Hütte versprochen«,
schrie er. »Eine einsame ! Das hier ist ein Rummelplatz. Sie haben mich
so richtig hochnehmen wollen.« Er demonstrierte mit den Armen, wie hoch. »Aber
meine Dämlichkeit hat Grenzen, Fräulein Freude, kommen Sie!«
    Er packte ihr Handgelenk und stürmte, mehr
rutschend als laufend, Steinlawinchen auslösend, ohne Rücksicht auf seine
Schwindligkeit, denselben Weg zurück, den sie gekommen waren.
    Katharina stolperte hinter ihm her. »Was ist
denn? Was ist denn los? Ich denke, Sie wollten ein Bier?«
    »Ein einsames Bier«, wütete er. »Mit
einem einsamen Jodler.«
    »Lassen Sie mich los! Ich kann nicht so
schnell!«
    Er gab ihr Handgelenk frei und fühlte sich im
selben Augenblick seines Halts beraubt. Obgleich er es gewesen war, der sie
hinter sich hergezogen hatte.
    Aber schwindligen Leuten ist es ja gar nicht so
sehr um einen Halt zu tun als um die Illusion eines Halts. Den Blick in die
Tiefe vermeidend, meisterte er ein besonders steiles Stück auf dem Hosenboden.
    Nach Katharina Freude sah er sich nicht um.
    Er war fertig mit ihr. Er hatte es satt, ständig
ihre Überlegenheit spüren zu dürfen. Sie nahm ihn nicht ernst. Sie hielt

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