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Der Bastian

Der Bastian

Titel: Der Bastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Noack
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    »Wo wollen S’ denn hi?« erkundigte sich der
Gegriffene höflich.
    »Na heim!« rief sie in höchster Erregung.
    Der Mann sah sie an und sagte behutsam:
»Vielleicht nehmen S’ besser ein Taxi, Oma.«
     
    Akkurat sieben Minuten und fünf Sekunden vor
acht hielt das Taxi vor dem Haus. Bastian hatte Großmutter vom Fenster aus kommen
sehen und rannte ihr entgegen. Sie begegneten sich im Hausflur.
    »Bub, wenn du wüßtest, wo ich alles war.«
    »Hier ist der Wohnungsschlüssel. Servus,
Martha!«
    »Wo willst du hin?«
    »Zur U-Bahn!«
    »O Bastian! Da wirst du was erleben!« rief sie
hinter ihm her.
     
    Zehn Minuten vor halb acht war Katharina mit
allen Vorbereitungen fertig und erwartungsvoll.
    Um acht Uhr stellte sie die Herdplatten ab, die
Tagesschau an, pustete die Tischkerzen aus und goß sich einen großen Schnaps
ein.
    Mit diesem nahm sie auf dem Sofa Platz und tat
sich furchtbar leid, denn Bastian war nicht gekommen.
    Beim Operieren hatte heute früh der Oberarzt
gesagt: »Schaut mal unsere Kleine an. Sie macht Augen, als ob sie Chopin hört.«
    Das war gemein. Niemand macht Augen, als ob er
Chopin hört, wenn er stundenlang Klammern halten muß.
    Der Oberarzt wußte von Bastian. Er hatte einige
seiner Serienrufe entgegengenommen.
    Eine verliebte Ärztin nahm keiner ernst. Warum
eigentlich nicht? Machte sie Fehler? Nein. Sie war innerlich froh, und davon
profitierten alle, denen sie begegnete. Vor allem die Patienten.
    Und nun kam Bastian nicht.
    An ihrer Enttäuschung über sein Ausbleiben
merkte sie, wie sehr sie sich bereits an ihn gewöhnt hatte. Seine Zärtlichkeit,
Unkompliziertheit, Verehrung, seine Verspieltheit und Durchschaubarkeit.
    Seine Jugend.
    Bisher hatte sie immer ältere Männer gekannt.
Männer mit beruflichen Verantwortungen. Mit Streß und einem Magenleiden oder
einem Herzen, auf das sie Rücksicht nehmen mußte, mit Freundinnen noch woanders
und Ärger wegen der Bauchweite. Männer mit Sorgen, wie sie ihr Geld am
krisensichersten anlegen sollten, mit Steuerschulden und kleinlichem
Prestigedenken. Manche von ihnen verheiratet. Unglücklich. Sie fühlten sich von
ihren Ehefrauen unverstanden. Dachten aber gar nicht daran, sich scheiden zu
lassen. Wer trennt sich schon gern von seinen langjährigen Gewohnheiten und
Bequemlichkeiten!?
    Katharina mußte nicht weiter im Trüben
herumdenken, denn es klingelte Sturm.
    Ein verschwitzter Bastian, völlig außer Atem,
hängte seine Arme über ihre Schultern, als sie öffnete.
    »Kathinka, Süße, es ist nicht meine Schuld — es
ist, weil meine Großmutter — sie beherrscht das U-Bahn-Fahren noch nicht —
sollte erst mal ‘n Trockenkursus machen — und weil sie keinen Schlüssel
mithatte - weißt du, was ich vergessen hab’? Die Blumen!« Er küßte sie.
»Verzeih.«
    »Es ist alles verkocht«, seufzte Katharina.
    Aber das störte Bastian nicht. Er war ja nicht
gekommen, um bei ihr zu essen.
     
     
     

Bastian hält den deutschen Wald sauber
     
    Jede Woche einmal, am Dienstag, gab Bastian
Probeunterricht, in einer Grundschulklasse.
    Dies war das letztemal vor den großen Ferien.
    Er hatte den Kindern eine Rechenaufgabe aus
einem Lehrbuch gestellt. Die Aufgabe lautete: »Hans wird von seiner Mutter mit
einem 10-Mark-Schein zum Einkaufen geschickt. Beim Milchhändler kauft er 7 Eier
à 16 Pfennig und ⅛ Kilogramm
Butter. Der Kilopreis beträgt 5,84 Mark.«
    Weiter war er nicht gekommen, denn gleich drei
Mädchen meldeten sich geräuschvoll knipsend und wollten wissen, wo es die
billige Butter gab und ob das ein Sonderangebot sei. »Wahrscheinlich ein
Sonderangebot«, meinte Bastian und diktierte weiter.
    Im Laufe der Rechenaufgabe wurde Hans auch zum
Postamt geschickt, um Briefmarken für 8 Pfennig zu kaufen.
    Sieben Finger bohrten sich auf einmal in die
Luft. Und viele Gesichter feixten.
    »Jaja, ich weiß«, sagte Bastian. »Aber man kann
nicht jedesmal die Rechenbücher ändern, wenn die Post das Porto erhöht.«
    Er hatte schließlich das Buch in die Ecke
gefeuert und Bruchrechnung mit den Kindern gemacht.
    Und war anschließend sehr nachdenklich gewesen.
Jetzt war er nur Aushilfspauker. Wenn er sich aber vorstellte, daß er jahrein,
jahraus bis zu seiner Pensionierung Unterricht geben sollte...Warum hatte er
ausgerechnet Lehrer werden wollen? Weil seine eigene Schulzeit so schön gewesen
war?
    War sie überhaupt nicht.
    Weil er sich zum Pädagogen berufen fühlte?
Fühlte er sich überhaupt zu etwas berufen?
    Er mochte

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