Der Bedrohung so nah (German Edition)
einforderte.
Besorgt und verärgert zugleich starrte Nick auf ihren Lebenslauf. Die Misere dieser Frau war nicht sein Problem. Auch wenn Erin McNeal einmal eine gute Polizistin gewesen war, hatte sie in seinen Augen die ultimative Sünde begangen und im entscheidenden Moment nicht abgedrückt. Und ein Cop, der nicht in der Lage war, seinem Partner Rückendeckung zu geben, hatte es nicht verdient, ein Cop zu sein.
Aber Nick war Frank einen Gefallen schuldig. Sein Freund war immer für ihn da gewesen. Als Trauzeuge, als Nick und Rita geheiratet hatten, genauso wie als Sargträger auf ihrer Beerdigung zwölf Jahre später.
Seufzend lehnte Nick sich in seinem Stuhl zurück und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. Er wollte nichts mit dieser Sache zu tun haben. Auch wenn Logan Falls eine Kleinstadt war, in der es kaum mehr als ein paar Gelegenheitsdiebstähle und die eine oder andere häusliche Auseinandersetzung gab, einen lädierten Cop konnte er in seinem Team nicht gebrauchen. Aber er hatte Frank versprochen, sich um sie zu kümmern und aufzupassen, dass sie nicht in Schwierigkeiten geriet. Ihr eine Chance zu geben, wieder auf die Beine zu kommen. Nick war sich sicher, dass er es bereuen würde. Doch er hatte in seinem Leben schon so vieles bereut, da kam es auf eine Sache mehr oder weniger auch nicht mehr an.
„Beeindruckender Lebenslauf.“ Hector Price, zurzeit Nicks einziger Vollzeit-Deputy, pfiff anerkennend durch die Zähne. „Der Beste, der uns vorliegt, Chief. Der Typ hat traumhafte Referenzen. Sechs Jahre Streife. Zwei Jahre Zivilfahnder. Ein Jahr Detective bei der Drogenfahndung.“
„McNeal ist eine Frau“, sagte Nick gereizt.
Hector guckte verblüfft. „Mensch, die hat echt was drauf. Ein schwarzer Gürtel in Karate. Und sie hat sogar eine höhere Trefferquote beim Schießen als Sie, Chief. Sie ist wirklich gut!“ Als er Nicks finsteren Blick sah, fügte er schnell hinzu: „Also ich meine natürlich für eine Frau.“
Auch für einen Mann, dachte Nick missmutig. Zu gut. Er fragte sich, ob und wem sie etwas beweisen wollte. Es würde ihn überhaupt nicht wundern, wenn all diese außergewöhnlichen Fähigkeiten mit ihren Schuldgefühlen zusammenhingen.
Er kannte ihren Partner Danny Perrine aus Chicago. Und er hatte etliche Gerüchte über die Schießerei gehört. Offenbar hatte Erin McNeal in jener Nacht nicht nur ihre Treffsicherheit und ihren schwarzen Gürtel in Karate, sondern auch all die anderen Dinge, die man ihr auf der Polizeischule beigebracht hatte, vergessen. Danny hatte einen hohen Preis dafür zahlen müssen.
„Solange sie damit leben kann, all ihre großartigen Qualifikationen am Zebrastreifen vor der Schule unter Beweis zu stellen“, sagte Nick.
„Wir hatten noch nie einen weiblichen Cop in Logan Falls, Chief. Das wird bestimmt interessant.“
Nick hätte gerne darauf verzichtet und eine Sorge weniger gehabt. Er hatte sie zwar noch nicht einmal kennengelernt, aber er mochte sie aus Prinzip nicht. Das war unfair, doch es war ihm egal. Nur weil er Frank einen Gefallen tat, hieß das nicht, dass er sie deswegen gleich mögen musste. Er würde einfach abwarten, bis sie von allein dahinterkam, dass die Polizeiarbeit in einer Kleinstadt nichts für sie war.
Es klingelte, und die Eingangstür öffnete sich. Nick sah auf. Bei dem Anblick der Frau, die in der Tür stand, wurde ihm warm ums Herz. Sie sah aus, als hätte sie soeben die Höhle des Löwen betreten mit dem Vorsatz, ihn ordentlich zu verdreschen, ganz gleich, wie groß seine Pranken waren. Sie strahlte dabei eine merkwürdige Mischung aus Nervosität und Leg-dich-ja-nicht-mit-mir-an-Haltung aus. McNeal konnte es nicht sein, die erwartete er erst in zwei Stunden. Abgesehen davon würde er einen Cop sofort erkennen. Nein, diese Frau war kein Cop, sondern eine unbedarfte Zivilistin. Wahrscheinlich verkaufte sie irgendetwas an der Haustür und hatte heute ihren ersten Tag.
Ihr Anzug war gut geschnitten. Nicht sehr figurbetont, aber dafür umso stilvoller. Selbst mit flachen Schuhen war sie auch im Vergleich zu seinen ein Meter neunzig nicht gerade klein. So wie sie sich bewegte, war sie sicherlich sportlich. Bestimmt würde sie ihm gleich einen Kofferraum voll Büromaterial präsentieren und ihm das Geschäft seines Lebens anbieten. Er stöhnte innerlich auf.
Ohne sich die Mühe zu machen, aufzustehen, sah er sie an. „Kann ich Ihnen helfen?“
„Ich möchte zu Nick Ryan.“
Sie hatte die grünsten Augen, die
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