Der Bedrohung so nah (German Edition)
nicht vorbereitet gewesen. „Frank hat mir von der Schießerei erzählt“, erklärte er.
„Ein bisschen Arthritis“, antwortete sie. „Aber nichts Schlimmes.“
„Haben Sie die medizinischen Tests bestanden?“
Sie nickte. „Ich bin Linkshänderin, daher beeinträchtigt die Verletzung meine Treffsicherheit nicht. In der rechten Hand habe ich allerdings nicht mehr so viel Kraft.“
Oberflächlich gesehen war ihre Antwort durchaus akzeptabel und auf den Punkt gebracht. Vermutlich genau so, wie sie es geplant hat, dachte Nick. Doch er war ein aufmerksamer Beobachter und sah auch die weniger deutlichen Zeichen. Weder die Tatsache, dass sie ihre Tasche so fest umklammert hielt, dass ihre Knöchel weiß hervortraten, noch das leichte Zittern ihrer Hand oder die angespannten Muskeln ihres Kiefers waren ihm entgangen. Alles Anzeichen von Stress. Offensichtlich setzte ihr die Schießerei wesentlich mehr zu, als sie zugab. Typisch Cop, dachte er und stöhnte innerlich auf. Er hätte sein letztes Hemd darauf verwettet, dass die Frau, die ihm gegenübersaß, einen ganzen Sack voll persönlicher Probleme mit sicher herumtrug. Genauso wie er.
„Frank hat gesagt, Sie hätten Glück gehabt, dass Sie überhaupt lebend wieder aus der Lagerhalle gekommen sind.“
Für einen Moment sah es so aus, als wolle sie ihm widersprechen. Doch dann überlegte sich es sich offenbar anders. „Ich hatte sehr viel Glück.“
Im Gegensatz zur Ihrem Partner Danny Perrine . Der Gedanke machte ihn wütend. Er fragte sich, ob sie vorhatte, ihm die Geschichte von allein zu erzählen, oder ob er ihr jedes einzelne Detail aus der Nase ziehen musste.
„Waren Sie danach beim Polizeipsychologen?“, fragte er beiläufig. Ihr Blick fixierte ihn. Sie wusste, dass es keine beiläufige Frage war, das sah er ihr an. Auch wenn sie es versuchte, gelang es ihr nicht, ihre Reaktion darauf vor ihm zu verbergen. Er hatte das kurze Aufflackern ihrer Gefühle in der Tiefe ihres Blickes gesehen.
„Ich war für einige Monate bei Dr. Ferguson in Behandlung. Das ist Pflicht für alle Cops, die in einen Schusswechsel verwickelt waren. Sie hat mir eine uneingeschränkte Dienstfähigkeit attestiert.“
„Warum hat Frank Sie dann gefeuert?“
„Frank hat mich nicht gefeuert, ich habe gekündigt.“
„Auf dem Papier vielleicht. Aber dass Sie gehen würden, war klar. Und natürlich wussten Sie, dass es sich im Lebenslauf besser macht, wenn Sie von sich aus kündigen.“ Auch wenn Nick sie nicht ansah, spürte er ihre Anspannung. Er ließ die Stille kurz wirken, dann sah er sie an. „Sie haben doch nicht gedacht, dass ich Sie nicht nach der Schießerei fragen würde, oder?“
Erin sah ihn mit wachsamen Augen an. „Natürlich nicht.“
„Mir liegt Ihre komplette Akte vor“, erklärte er. „Möchten Sie mir Ihre Version der Geschichte erzählen?“
„Frank sagte …“
„Warum hören Sie nicht auf, darüber nachzudenken, was ich bereits von Frank weiß, und erzählen mir einfach, was passiert ist?“
Zum ersten Mal schien er sie aus der Fassung gebracht zu haben. Sie blinzelte, dann senkte sie den Blick, während sie nervös mit ihren Händen spielte. „Er hätte Ihnen nicht meine komplette Akte geben dürfen. Teile davon sind vertraulich.“
„Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass er Sie hier hereinspazieren lässt, damit Sie mich mit Ihren Testergebnissen und Ihrer Aufklärungsrate blenden können, wenn wir beide genau wissen, dass Sie in den vergangenen sechs Monaten ernsthafte Probleme hatten, oder?“
„Frank weiß, dass ich eine gute Polizistin bin.“
„Und er weiß auch, dass Sie zurzeit etwas labil sind. Sie waren in eine Schießerei verwickelt. So etwas belastet einen selbst, ob man das zugeben will oder nicht. Frank wollte mich nicht im Unklaren lassen, nicht nachdem, was mit Danny Perrine passiert ist.“
Sie zuckte zusammen. „Ich bin nicht labil. Ich habe einen Fehler gemacht …“
„Einen ziemlich großen, der Ihren Partner beinahe das Leben gekostet hätte.“
„Ich bin mir völlig darüber im Klaren …“
Nick gab ein kurzes, ungläubiges Lachen von sich, um zu verdeutlichen, was er von Cops hielt, die Fehler machten. „Nur weil Sie sich darüber im Klaren sind, heißt das noch lange nicht, dass sich das Problem in Luft auflösen oder es nie wieder vorkommen wird.“
„Ich hab es verbockt“, sagte sie. „Ich bin zu früh in den Polizeidienst zurückgekehrt nach der … der Sache mit Danny. Aber es geht mir
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