Der Bedrohung so nah (German Edition)
Monat hatte sie die Rate für ihr Auto nicht bedienen können. Vielleicht war ein Job bei einer Sicherheitsfirma tatsächlich gar nicht so verkehrt.
„Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben.“ Ohne ihn anzusehen, ging sie zur Tür. Sie kam sich vor wie eine Versagerin. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie sich das letzte Mal so schlecht gefühlt hatte. Vielleicht nach dem letzten versiebten Bewerbungsgespräch. Oder als sie zum letzten Mal das Revier verlassen hatte. Oder an dem Tag, an dem sie rausgefunden hatte, dass sie nicht so stark war, wie sie dachte, als sie im alles entscheidenden Moment nicht reagiert hatte.
„McNeal.“
Erst als sie die Tür erreicht hatte, blieb sie stehen. Sie war sich nicht sicher, was passieren würde, wenn sie sich umdrehte. Normalerweise war sie weder besonders emotional veranlagt noch nah am Wasser gebaut. Doch zum ersten Mal seit einer sehr langen Zeit fühlte sie, dass sie kurz davor stand, hemmungslos loszuheulen.
„Frank Rossi empfiehlt nicht jeden“, sagte Nick.
Die Hand auf die Türklinke gelegt, hielt Erin inne. Wütend blinzelte sie die Tränen weg.
„Ich vertraue seinem Urteil“, sagte er. „Sie haben neun Jahre für ihn gearbeitet. Vielleicht sollten auch Sie ihm vertrauen.“
Die Bedeutung seiner Worte drang nur langsam zu ihr durch. Wie ein leichter Nieselregen, der auf verdorrtes Land fällt. Hoffnung keimte in ihr auf, und sie bekam weiche Knie. Sie atmete ein. Und wieder aus. Dann drehte sie sich um und sah ihn an, vergeblich darum bemüht, ihr Zittern zu unterdrücken. „Frank ist mein Onkel und nicht grade sehr objektiv, wenn es um mich geht.“
„Selbst wenn das stimmen sollte: Gibt es irgendeinen Grund, warum ich an Ihrer Befähigung für den Polizeidienst zweifeln sollte?“
„Ich war eine gute Polizistin“, sagte sie etwas aus Atem. „Und ich bin es nach wie vor.“
„Ich brauche einen Deputy. Sie sind mir empfohlen worden. Und Sie haben die entsprechenden Referenzen. Sind Sie interessiert?“
Erin starrte ihn an. Ob er ihr den Job auch dann anbieten würde, wenn er von den Albträumen wüsste? Oder von den wiederkehrenden Erinnerungen, die sich auf sie stürzten wie ein Raubvogel auf seine Beute? Schon die Fehlzündung eines Autos reichte aus, um sie in Gedanken zurück in die Lagerhalle zu versetzen.
„Sie wollen mich einstellen?“, platzte es aus ihr heraus.
Sein Blick durchbohrte sie. „Logan Falls ist eine Kleinstadt. Ein guter Ort, um wieder auf die Beine zu kommen und sich darüber klar zu werden, ob Sie weiterhin im Polizeidienst bleiben oder lieber etwas anders machen wollen.“
Ihr Herz klopfte so heftig, als wäre sie gerade eine Meile gerannt. Hoffnung, aber auch Angst stieg in ihr auf, als sie seinem stechenden Blick standhielt. „Ich bin interessiert.“
„Dann setzen Sie sich am besten wieder hin, damit wir das Bewerbungsgespräch zu Ende führen können.“
Noch vor sechs Monaten hätte ihr Stolz es ihr geboten, ihm zu sagen, er solle sich zur Hölle scheren. Doch heute war ihr klar, dass sie sich in dieser Situation beide nicht erlauben konnten, einem geschenkten Gaul ins Maul zu schauen. Entweder Frank hatte ihn hereingelegt, oder Chief Nick Ryan brauchte wirklich dringend einen Deputy. Sie war sich nicht sicher, welche der beiden Möglichkeiten schlimmer war.
„In Ordnung.“ Mit wackeligen Beinen ging sie zum Stuhl zurück und setzte sich wieder.
Sie beobachtete, wie er erneut hinter seinem Schreibtisch Platz nahm. Den Krähenfüßen um die Augen herum nach zu urteilen, musste er in etwa Ende dreißig sein. Seine braunen Haare waren kurz geschnitten und so dunkel, dass sie fast schwarz waren. Obwohl es noch nicht mal nachmittags war, lag bereits ein dunkler Schatten auf seinem rasierten, kräftigen Kinn. Er war nicht besonders gut aussehend, aber schöne Männer hatte sie noch nie gemocht. Ein paar Ecken und Kanten waren ihr lieber als ein perfektes Gesicht, und Charakter war ihr wichtiger als Charme. Die markanten Züge seines Gesichts verrieten ihr, dass er über beides im Übermaß verfügte.
Mit der Narbe an seiner rechten Augenbraue, dem stechenden Blick und dem unnachgiebigen Mund hatte Nick Ryan eindeutig ein Charaktergesicht. Er war gut über einen Meter achtzig groß, denn sogar mit ihren hochgewachsenen Einssechsundsiebzig musste sie zu ihm aufsehen. Er hatte die schlanke Statur eines Langstreckenläufers gepaart mit der Muskelkraft eines Boxers. Doch es war nicht sein
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