Der Bedrohung so nah (German Edition)
wollen Sie das wissen?“, fuhr sie ihn an.
Die Kälte in ihrer Stimme überraschte ihn. Er holte tief Luft. Mit einem Mal wurde ihm klar, wie tief auch ihre emotionale Verletzung sein musste und wie wenig er über jene Nacht wusste.
„Möchten Sie mir erklären, was Sie damit meinen?“, fragte er.
Ihre Lippen verzogen sich zu einem humorlosen Lächeln. „Fragen Sie mich das als Freund oder als Vorgesetzter, der sich ein Bild von meiner geistigen Verfassung machen will?“
„Wie wär’s mit einem bisschen von beidem?“
Seufzend umarmte Erin eins der Sofakissen und legte die Stirn in Falten. „In der Nacht, als Danny Perrine angeschossen wurde, habe ich selbst auch eine Kugel abbekommen. Sie hat einen ziemlichen Schaden angerichtet. Mehr gibt es nicht zu erzählen.“
„Das wusste ich bereits. Aber warum fühlen Sie sich schuldig? Warum wollen Sie nicht mit mir darüber sprechen?“
Sie warf ihm einen finsteren Blick zu. „Ich möchte eben nicht darüber reden. Nicht jetzt.“
„Wir arbeiten zusammen. Ich muss Ihnen vertrauen können. Ich finde, Sie schulden mir eine Erklärung.“
Sie sah auf ihre Hände, mit denen sie nervös über den Stoff des Kissenbezugs strich. „Ich habe versagt und im entscheidenden Moment nicht abgedrückt, Nick. Es war meine Schuld, dass ich die Kugel kassiert habe. Und dass Danny angeschossen wurde. Was erwarten Sie denn?“
„Frank sagt, es war nicht Ihr Fehler.“
„Die Dienstaufsicht ist zum gleichen Ergebnis gekommen. Aber die waren ja auch nicht dabei.“
„Sie sehen es also anders?“
„Hätte ich schneller reagiert, säße Danny jetzt nicht mit einer Kugel im Rücken im Rollstuhl. Ich wäre in Chicago und nicht hier in Logan Falls, um mir mühsam zurückzuholen, was ich verloren habe. Beantwortet das Ihre Frage?“
„Das erklärt nicht, warum Sie sich schuldig fühlen.“
„Weil ich einen Fehler gemacht habe. So einfach ist das.“
„Und nun versuchen Sie, diesen vermeintlichen Fehler wiedergutzumachen, indem Sie Ihr Leben aufs Spiel setzen und unnötige Risiken eingehen? Wir wissen beide, dass das nichts an den Tatsachen ändern wird.“
„Was soll ich denn sonst tun?“
„Was wollen Sie beweisen, McNeal?“
Wütend funkelte sie ihn an. „Ich will gar nichts beweisen.“
„Doch. Ich glaube, genau das wollen Sie. Aber weder mir noch Frank oder den Kollegen der Dienstaufsicht, sondern ganz allein sich selbst.“
„Sie kennen mich nicht annähernd so gut, wie Sie glauben.“
„Sie fangen an, sich zu verteidigen.“
„Ganz richtig, verdammt noch mal.“
„Erin, ich weiß, wie es ist, sich für etwas verantwortlich zu fühlen, an dem einen keine Schuld trifft.“
„Ach wirklich, Nick? Mir reicht’s. Ich werde mir Ihr Psychogeschwätz nicht länger anhören.“ Abrupt stand sie auf, nahm den Morgenmantel, der auf der Rückenlehne des Sofas lag, und zog ihn über, während sie in die Küche ging.
Nick wusste, dass es zwecklos war, ihr zu folgen. Das Ganze hatte sie ziemlich mitgenommen. Auf keinen Fall wollte er riskieren, dass sie in seiner Gegenwart zusammenbrach. Das änderte jedoch nichts daran, dass er an einem Punkt angelangt war, an dem er endlich ein paar Antworten brauchte. Er musste wissen, was in der Lagerhalle vorgefallen war. „Sie können nicht zulassen, dass die Schuld Sie zerfrisst. Hören Sie endlich auf, sich selbst dafür verantwortlich zu machen. Am Ende wird Ihnen deswegen noch etwas zustoßen.“
„Der Unfall war nicht mein Fehler.“
„Ich spreche nicht von heute.“
Abrupt blieb sie an der Tür zur Küche stehen und drehte sich zu ihm um. „Wie würden Sie sich fühlen, wenn Ihr Partner Ihretwegen im Rollstuhl sitzt und seinen Beruf an den Nagel hängen muss? Wenn er Sie so sehr hassen würde, dass er Ihnen nicht einmal in die Augen sehen kann? Wenn Sie ihn anrufen, um sich nach ihm zu erkundigen und seine Frau die Verbitterung in ihrer Stimme nicht verbergen kann? Und Sie sich das trotzdem immer wieder antun, weil Sie sich schuldig fühlen? Seine Kinder gucken mich an, als wäre ich der Teufel in Person, Nick.“
Er ging zu ihr. „Vielleicht würde ich mich schuldig fühlen. Aber verantwortlich? Nicht wenn die Dienstaufsicht mich freigesprochen hätte. Das sind alles ziemlich erfahrene Cops.“
„Ich hatte an dem Abend damals nur den einen Gedanken: eine Festnahme, egal um welchen Preis. Die Möglichkeit, dass jemand verletzt werden könnte, habe ich gar nicht in Betracht gezogen. Ich habe weder an
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