Der Bedrohung so nah (German Edition)
Bedürfnis, sie in seine Arme zu nehmen und sie zu beschützen, sah er sie an. Doch mindestens genauso wollte er, dass sie glücklich war. Dass sie all die Dinge tun konnte, die andere Mädchen in ihrem Alter taten. Zum ersten Mal seit dem Unfall fragte er sich, ob sich beides miteinander vereinbaren ließ. Vielleicht hatte Erin McNeal ja recht.
„Ich werde es mir überlegen. Aber nur, wenn du mir versprichst, kein Basketballprofi zu werden“, sagte er nach einer Weile. „Ich fürchte, ich käme nicht damit klar, dass du dann so häufig auf Reisen wärst.“
Nachdenklich sah Stephanie ihn an. „Glaubst du, die Profis vermissen ihre Väter, wenn sie unterwegs sind?“
„Du würdest mich bestimmt vermissen.“ Grinsend beugte er sich zu ihr und zog sie zärtlich am Ohr. „Aber ich dich noch viel mehr.“
Sie fuhr ihren Rollstuhl zurück und warf ihm den Ball zu. „Das heißt, ich bekomme Unterricht?“
Nick fing den Ball, konnte sich jedoch nicht überwinden, ihn zurückzuwerfen. „Ich werde drüber nachdenken, okay, Liebling?“
„Aber dann versprich mir bitte, dass du gut darüber nachdenkst. Okay, Dad?“
„Das verspreche ich.“
Erin saß an ihrem Schreibtisch und starrte aus dem Fenster der Polizeiwache. Sie versuchte, nicht an Nick zu denken – und scheiterte kläglich. Stirnrunzelnd sah sie auf den Haufen Formulare und Berichte, die vor ihr lagen, und tippte eine Reihe von Informationen in den Computer. Unfähig, sich auch nur im Ansatz für diese Arbeit zu begeistern, beobachtete sie den Verkehr auf der Commerce Street vor dem Fenster, so wie sie es schon seit heute Morgen um sieben Uhr tat. Jetzt, zwei Stunden später, waren erst sechzehn Autos vorbeigefahren. Logan Falls, dachte sie. Ein Leben auf der Überholspur.
Was, um alles in der Welt, sollte sie nur mit Nick machen?
Hectors Methoden der Einarbeitung unterschieden sich grundsätzlich von Nicks. Während der Chief sie mit auf Streife genommen hatte, bevorzugte Hector es, seine Runden allein zu drehen und dafür den ganzen Papierkram auf ihrem Schreibtisch abzuladen. Doch im Grunde war sie froh darüber, denn ihr war heute nicht nach Gesellschaft zu Mute.
Am liebsten hätte sie Nick für ihre schlechte Laune verantwortlich gemacht, doch sie wusste, dass sie selbst Schuld hatte. Sie und dieser verdammte Kuss. Wie konnte das bloß sein? In einer Großstadt wie Chicago hatte sie eine blendende Karriere hingelegt, und hier brachte sie es in nur einer Woche fertig, ihren Kollegen zu verprellen, ihren Boss gegen sich aufzubringen und auch sonst alles falsch zu machen. Wie hatte sie nur zulassen können, dass Nick sie küsste? Und wie, um alles in der Welt, kam sie dazu, seinen Kuss auch noch zu erwidern?
Es wäre einfach, die emotionsgeladene Stimmung nach Stephanies Ausbruch dafür verantwortlich zu machen. Oder Nicks Wut. Oder das schlechte Gewissen, das sie hatte, weil ihr Geschenk dem Mädchen so viel Kummer bereitet hatte. Doch Erin machte sich nichts vor: Sie hatte gewollt, dass Nick sie küsste. Sie hatte seinen harten, fordernden Mund auf ihrem spüren wollen. Ganz egal, welche Konsequenzen es haben würde. Es ließ sich nicht leugnen, genauso wenig wie die Tatsache, dass sie jedes Mal Herzklopfen bekam, wenn sie sich vorstellte, dass er es wieder tat.
Sie merkte, wie sich bei der Erinnerung an die Begegnung auf der Auffahrt ihre Wangen röteten. Schnell schob sie den Gedanken beiseite. Sie konnte es ja doch nicht mehr ändern. Inzwischen waren zwei Tage vergangen, und sie hatte Nick seitdem nicht mehr gesehen. Vermutlich war es auch gut so. Einen Mann wie Nick, der ihren Verstand durcheinanderbrachte und ihren Körper mit Versprechungen lockte, die sie beide auf Dauer nur unglücklich machen würden, konnte sie in ihrem Leben nicht gebrauchen.
Er hatte ihr gesagt, dass er ihren Leichtsinn nicht tolerieren konnte. Doch Erin wusste, dass er in Wahrheit ein Problem damit hatte, dass sie eine erfolgreiche Polizistin war, die nicht davor zurückschreckte, sich notfalls selbst in die Schusslinie zu begeben. Nun, sie hatte genug von Männern, die nicht damit umgehen konnten, dass sie ein Cop war. Warren Prentice war dafür das beste Beispiel gewesen. Es war zwar schon sechs Jahre her, doch tief in ihrem Inneren hatte sie sich noch immer nicht verziehen, dass sie beinah naiv genug gewesen war, im Namen der Liebe ihre Karriere aufzugeben.
Liebe? Pah . Wie war sie nur auf diese absurde Idee gekommen? Nein, sie glaubte nicht an die
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