Der Bedrohung so nah (German Edition)
bewusst: DiCarlo wollte nicht Stephanie, er wollte sie. Diese Erkenntnis traf sie so hart, dass sie sich nur noch mit Mühe auf den Beinen halten konnte.
Zitternd und mit weichen Knien durchquerte sie den Raum. „DiCarlo will nicht Stephanie, Nick. Er will mich.“
Das Donnergrollen, das von draußen zu ihnen hereindrang, verstärkte die Stille, die ihren Worten folgte. Nick steckte sein Handy in die Tasche seiner Uniform, dann drehte er sich zu ihr. Erin zuckte zusammen, als sein eiskalter Blick sie traf.
Kaum zu glauben, dass dies derselbe Mann war, der nur wenige Stunden zuvor so unglaublich zärtlich zu ihr gewesen war und ihr seine intimsten Gedanken anvertraut hatte. Derselbe Mann, der ihr Herz gestohlen hatte, das gerade in tausend Teile zersprang, als ihr klar wurde, dass Nick sie für Stephanies Entführung verantwortlich machte.
Er hatte es zwar nicht gesagt, doch sie konnte es tief in seinen Augen lesen. Sie versuchte sich einzureden, dass sie keine Schuld traf. Doch vergeblich. Er hatte recht. Und es brach ihr das Herz, dass der Mann, den sie liebte, sie beschuldigte, etwas so Kostbares wie sein Kind in Gefahr gebracht zu haben.
„Mach keine Dummheiten“, warnte er sie.
„Ich werde warten.“ Natürlich würde sie das nicht tun. Sie musste Stephanie finden. Sie konnte nicht zulassen, dass das Mädchen für sie büßen würde.
Er kam zu ihr und küsste sie. Es war ein harter, gefühlloser Kuss, geboren aus Verzweiflung und Angst. Dennoch rührte diese Geste Erin so sehr, dass sie einen Kloß im Hals bekam. Sie unterdrückte ein Schluchzen und schluckte.
Mit einem Mal schwach auf den Beinen, ging sie langsam rückwärts und setzte sich aufs Bett. Sie verspürte das irrationale Bedürfnis, ihm zu sagen, dass sie ihn liebte. Vielleicht war dieser Augenblick die einzige Chance, die sie je dazu bekommen würde. Doch sie tat es nicht.
„Pass auf dich auf“, sagte er und öffnete die Tür. Ohne sich noch einmal zu ihr umzudrehen, trat er in die Nacht hinaus.
Erin knallte ihren Ausweis auf den Tresen und durchbohrte den Portier mit ihrem besten Tun-Sie-was-ich-sage-Blick. „Polizei. Ich brauche sofort einen Wagen für einen Einsatz.“
Der Angestellte des Pioneer Motels starrte sie an, als hätte sie von ihm verlangt, sich in den Fuß zu schießen. „W…wie meinen Sie das?“
„Ich brauche einen Wagen“, fuhr sie ihn an. „Sofort.“
Der junge Mann zuckte zusammen. „Äh … geht auch ein Pick-up-Truck?“
„Ja. Geben Sie mir die Schlüssel.“ Sie sah auf die Uhr an der Wand hinter ihm. Eine halbe Stunde war seit dem Anruf von Hector vergangen. Es donnerte so laut, dass die Wände vibrierten. Wie, um alles in der Welt, sollte sie Stephanie finden?
Der Hotelangestellte machte einen Schlüsselbund von seinem Gürtel los und reichte ihn ihr. „Soll ich die Polizei rufen?“
„Chief Ryan ist bereits informiert.“
Der Mann schien nicht sehr überzeugt sein. „Und wann bekomme ich meinen Wagen zurück?“
„Sie können ihn heute Nachmittag an der Polizeiwache abholen.“ Sie nahm den Schlüssel. „Wo steht er?“
„Hinten. Neben dem Müllcontainer.“
Wenn es nach Erin ging, hätte der Pick-up-Truck eher in den Container gehört. Zweimal würgte sie den Motor ab, bis es ihr endlich gelang, vom Parkplatz zu fahren. Zu Hause angekommen, schloss sie frustriert die Tür auf. Die Minuten verrannen, ohne dass sie auch nur die leiseste Ahnung hatte, wie sie Stephanie finden sollte. Laut Lehrbuch hätte sie zuerst Nick finden oder Frank in Chicago anrufen müssen. Doch das Wissen, dass sie das Leben eines unschuldigen Kindes in Gefahr gebracht hatte, lastete schwer auf ihr und beeinträchtigte ihr Urteilsvermögen. Erin wusste, dass DiCarlo sie und nicht Stephanie wollte. Sie würde ihm einen Tausch anbieten. Sich selbst gegen das Mädchen. Als sie die Tür hinter sich ins Schloss zog, klingelte das Telefon. Sie durchquerte den Raum. Beim zweiten Klingeln war sie dran. „McNeal“, sagte sie atemlos.
Das Schweigen am anderen Ende der Leitung ließ ihr die Haare zu Berge stehen.
„Während der letzten halben Stunde habe ich alle fünf Minuten in Ihrer Wohnung angerufen, Officer McNeal.“
Jedem normalen Menschen wäre bei dem Klang von Vic DiCarlos Stimme das Blut in den Adern zu Eis gefroren. Doch Erin fühlte sich gerade alles andere als normal.
Befriedigt stellte sie fest, wie berechenbar DiCarlo war. Schnell drückte sie den Aufnahmeknopf ihres Anrufbeantworters. „Ich hatte
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