Der Benedict Clan 01 - Auf immer und ewig
Gespenster?
Die Frage vermochte er sich nicht zu beantworten. Nicht jetzt. Es fiel ihm im Moment noch zu schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Er brauchte Zeit, musste Abstand gewinnen. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn Regina genauso dachte. Am besten brachte er sie sofort in ihr Motel zurück. Sie mussten die Sache überschlafen. Und zwar in getrennten Betten.
Es war die richtige Entscheidung, das wusste er. Warum sträubte sich dann aber alles in ihm dagegen?
Am nächsten Morgen traf sich Kane mit Melville auf den Stufen des Gerichtsgebäudes in Baton Rouge, um vor dem Bezirksgericht erste Verhandlungen im Hinblick auf den bevorstehenden Prozess zu führen. Da er sich verspätet hatte, war er in einem Rutsch von seinem Haus bis zur Hauptstadt durchgefahren. Er hatte in der vergangenen Nacht nicht einschlafen können, weil sich seine Gedanken unablässig um Regina drehten. Frustriert war er schließlich um zwei Uhr morgens aufgestanden, hatte nach Pops geschaut und dann einige Stunden gearbeitet. Als er schläfrig wurde, wollte er sich eigentlich nur kurz hinlegen. Aber dann musste ihn die Erschöpfung doch übermannt haben, denn er wachte erst um halb acht wieder auf. Und da die Fahrt zum Gericht in Baton Rouge eine gute Stunde dauerte, hatte er sich natürlich sehr beeilen müssen.
„Wie geht es deinem Großvater?" fragte Melville, als sie zusammen die breiten Stufen zum Gerichtsgebäude hinaufstiegen.
„Pops ist griesgrämig", antwortete Kane. „Er will nach Hause und wieder in seinem eigenen Bett schlafen."
„Er macht deiner Tante das Leben schwer, was?"
„Sie behauptet es, aber ich glaube, sie ist froh, mal mit jemand anderem als mit mir reden zu können." Sein Lächeln schwand, als er den hageren, ungepflegt aussehenden Mann bemerkte, der, eine Zigarette in der Hand, an einer der Säulen des Portikus lehnte. Mit einer Kopfbewegung in seine Richtung deutend, fügte er hinzu: „Mir scheint, die Geier sammeln sich bereits."
Melville nickte. „Das ist unvermeidbar, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, was dieser Kerl da sich erhofft. In den letzten zwei Tagen sehe ich ihn dauernd irgendwo in Turn-Coupe herumlungern."
„Er beunruhigt mich", sagte Kane. „Es gefällt mir nicht, dass er sich hier herumtreibt."
„Vermutlich ist er nicht schlimmer als der Rest. Wenn du dir wirklich über etwas Gedanken machen willst, dann kann ich dir ein echtes Problem liefern." Ohne seine Schritte zu verlangsamen, klappte er seinen Aktenkoffer auf und entnahm ihm einen Hefter, den er ihm reichte.
„Was ist das?"
„Ein Dossier über die Lady, die bei deinem Großvater ein und aus geht."
Kane spürte, wie sich ihm das Herz zusammenkrampfte. Einen Moment blickte er seinen Partner stumm an. Weil er befürchtete, dass Slater, der ganz in der Nähe herumlungerte, ihre Unterhaltung verstehen konnte, wählte er seine Worte mit Bedacht. „Du bist dem Problem nachgegangen?"
„Es erschien mir ratsam."
Melville hatte Recht. Die Idee hätte ihm auch kommen müssen, überlegte Kane. Und das wäre sie auch, wenn er sich um seine Arbeit gekümmert hätte, anstatt sich in Regina zu verknallen.
Oder wenn er sich nicht darauf versteift hätte, auf seine Art und Weise mit ihr fertig zu werden.
„Und?" fragte er seinen Partner mit gepresster Stimme.
„Lies es selbst", erwiderte Melville.
Das würde er tun. Er musste es lesen, auch wenn Melvilles Verhalten darauf schließen ließ, dass er nicht glücklich sein würde über die Information. Der Blick, den er Slater zuwarf, als sie an dem dürren Reporter vorbeigingen, war vernichtend, mindestens doppelt so feindselig, wie er noch vor einer Minute gewesen wäre.
Melville, der den Blick gesehen hatte, runzelte die Stirn. Nachdem er die schwere Eingangstür aufgehalten hatte und seinem Partner in das Gebäude gefolgt war, fragte er: „Ist es dir nicht recht, dass ich die Lady ausgecheckt habe?"
„Doch, natürlich. Ich bin bloß nicht wild darauf, über jede Person, die auch nur am Rande mit dem Fall in Berührung kommt, Nachforschungen anzustellen."
„Sind das echte Bedenken? Oder läuft da was zwischen dir und der Lady?"
Kane hütete sich, irgendetwas zuzugeben. „Wie kommst du darauf?" fragte er ausweichend.
„Man sieht dich ziemlich häufig zum Motel fahren. So etwas spricht sich herum. Du warst mit ihr auf Lukes Party, und gestern war sie in deinem Haus."
Kane ging schneller. „Ich habe eben meine eigene Methode, Nachforschungen anzustellen", sagte er
Weitere Kostenlose Bücher