Der Benedict Clan 05 - Fremder Feind
die Stadt in Rekordzeit zurück. Unterwegs inspizierte er das Motel, das seiner Cousine Betsy gehörte, konnte dort aber nichts Ungewöhnliches entdecken und sah auch keine Spur von der grünen Limousine, mit der Ahmad ihnen vom Flughafen gefolgt war. Er stellte den Wagen am Gerichtsgebäude ab und erfasste mit einem Blick den Platz, den gerade mal vier Blocks aus Geschäftshäusern säumten, die dicht beieinander standen, da sie aus dem 19. Jahrhundert stammten, also aus einer Zeit, in der man die meisten Wege zu Fuß zurücklegte, wenn man nicht auf ein Pferd oder eine Kutsche zurückgreifen wollte oder konnte. Ein paar ältere Frauen waren zu sehen, die soeben in den Schönheitssalon gingen, und im Magnolia Gift Store & Tea Room saß die schwarze Katze der Eigentümerin im Fenster und putzte sich ausgiebig. Nats Leihwagen hatte er nahe der Zoo-und Samenhandlung eine Straße weiter entdeckt, doch von seinem Freund war weit und breit nichts zu sehen.
Chloe war weder im Modegeschäft, als er dort nachsah, noch befand sie sich im Blumenladen. Es handelte sich durchweg um kleine, gut und schnell zu überblickende Ladenlokale. Die Verkäuferin im Bekleidungsgeschäft sagte, eine Frau, auf die Wades Beschreibung passte, sei zwar da gewesen, habe den Laden jedoch verlassen, ohne etwas zu kaufen. Wieder auf der Straße angelangt, ging er ein Stück weiter, blieb vor einem Schuhgeschäft stehen und blickte sich abermals um. Von Nat war weiterhin nichts zu sehen.
Wade zog das Mobiltelefon aus der Tasche und hielt es in der Hand. Er war sich nicht sicher, ob es klug war, Nat anzurufen. Der mochte sich in einer Situation befinden, in der ein klingelndes Telefon nur unerwünschte Aufmerksamkeit auf ihn lenkte. Wenn nicht, dann hätte er sich bemerkbar gemacht.
Wades Seite schmerzte, und er kochte vor Wut. Der Wunsch, irgendetwas zu tun, nagte an ihm. Er hielt es nicht aus, einfach nur zu warten und nicht zu wissen, was los war. Wenn er Chloe Madison in seine Finger bekam, dann würde er ihr so einiges klar machen. Er war für sie verantwortlich. Wenn er dafür sorgen sollte, dass ihr nichts geschah, dann musste sie kooperieren.
Der abscheuliche Mord an Chloes Stiefschwester machte ihm noch immer zu schaffen. Für ihn war der Tod einer Frau aus irgendeinem Grund viel schlimmer als der Tod eines Mannes. Vermutlich erklärte das auch, warum es vielen Männern zuwider war, Frauen in Gefechtssituationen zu erleben. Diese Menschen betrachteten den weiblichen Körper mit seiner Gabe, Leben zu schenken, als etwas Heiliges und weitaus Wertvolleres als den Körper eines Mannes. Sie ertrugen die Vorstellung nicht, dass so was Zartes und Kostbares im Gestank von Schweiß und Blut ausgelöscht wurde.
Auch Wade war diese Vorstellung zuwider. Noch weniger konnte er allerdings den Gedanken ertragen, dass Chloe sich absichtlich in Ahmads Hände begab, ganz gleich, aus welchem Grund das geschah.
Es war natürlich möglich, dass sie völlig falsch lagen, was den Grund ihres Verschwindens anging. Es mochte sein, dass ihr die ganze Situation missfiel. Schließlich hatte sie nicht darum gebeten, in Grand Point eingesperrt zu werden oder ein Schlafzimmer zu bekommen, das nur ein paar Schritte von seinem eigenen entfernt war. Immerhin hatte sie mit ihm auch nur eine Nacht verbringen wollen.
Niemals hätte er zustimmen sollen. Das Vertrauen zwischen ihnen war äußerst zerbrechlich gewesen und vielleicht der Belastung nicht gewachsen, die diese eine Nacht mit sich gebracht hatte. Er war bemüht gewesen, ihr die Fallen zu zeigen, die auf sie lauern konnten, doch vielleicht hatte er sich nicht genug Mühe gegeben. Willenskraft war eine schöne Sache, stieß aber auch an Grenzen.
Er hatte nach Kräften das getan, worum sie ihn gebeten hatte. Es war keine Kritik an seiner Leistung laut geworden, und es lag ihm nicht, anschließend zu fragen, ob er gut gewesen war. In diesem Augenblick schien sie Ekstase gefühlt zu haben, doch sie wäre nicht die erste Frau, die etwas vorgetäuscht hatte. Nichts ließ klar erkennen, dass die Erfahrung für sie mehr bedeutete als nur das Ende der ihr lästigen Jungfräulichkeit.
Aus dem Augenwinkel heraus nahm er plötzlich eine Bewegung wahr.
Er riss den Kopf noch gerade rechtzeitig herum, um zu sehen, wie Chloe aus einem Hamburger-Restaurant kam, das sich im Block neben dem Gerichtsgebäude befand. In einer Hand trug sie eine weiße Papiertüte, in der anderen einen Pappbecher.
Nachdem sie eine ältere Frau in
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