Der Benedict Clan 05 - Fremder Feind
zurückschreckte. „Ja, du hast Recht, mein Bruder. Du hast allen Grund, wütend zu sein über diese ... diese Einmischung. Doch Wade war gezwungen, zu mir zu kommen. Es war ein Versprechen, das er meinem sterbenden Vater hatte geben müssen. Das musst du verstehen."
„Er ist aber nicht deiner Meinung." Immerhin, Ahmad hatte ihr zugehört, auch wenn in seiner Stimme noch immer deutlich die Kampflust mitschwang.
„Er wird meine Entscheidung zum Wohl seiner Familie akzeptieren", beschwor Chloe ihn. „Wenn du sie angreifst, dann ist alles zu spät."
Sie sprach mit Ahmad, doch Wade wusste, dass ihre Worte auch an ihn gerichtet waren. Er sollte sich zurückziehen, er sollte Ahmad gehen lassen - und sie mit ihm. Wade schätzte ihren Wunsch, die Menschen, die er liebte, nicht in Gefahr zu bringen, doch unter keinen Umständen würde er das zulassen, was sie beabsichtigte. Wenn es zum schlimmsten aller Fälle kam, wusste er den idealen Weg, um es zu verhindern - einen Weg, auf den sie ihn selbst gebracht hatte.
„Wir können das Geld jetzt, heute bekommen?" wollte Ahmad wissen. „Du kannst es von einer Bank abheben und mir in amerikanischen Dollars geben?"
Sie schluckte schwer, was durch die gedehnte Haltung ihres Halses deutlich zu sehen war. Ihr Blick ruhte auf Wade, als sie erwiderte: „Vielleicht nicht heute, aber sehr bald."
Mit bemüht ruhiger Stimme fügte Wade an: „Das lässt sich arrangieren. Doch wie soll es danach weitergehen?"
Chloe wusste, worauf er hinauswollte, und löste ihren Blick von seinen Augen. Die Ausdruckslosigkeit, die sich auf ihrem Gesicht zeigte, verriet ihm, dass sie sich damit abgefunden hatte, sterben zu müssen, und dass sie sich weigerte, diese schreckliche Tatsache auf sich wirken zu lassen.
Wade sah das ganz anders. Der Schmerz in seiner Brust war so heftig, dass er kaum atmen konnte. Die Wut auf Ahmad und der Wunsch, ihn auszuschalten, waren so übermächtig, dass er mit einem Mal verstand, warum jemand ein Verbrechen aus Leidenschaft beging.
Auf jeden Fall war er nicht bereit, sie das Risiko eingehen zu lassen, allein und schutzlos zu sein, wenn Ahmad herausfand, dass sie nicht länger unberührt war. Er würde es ihm sagen, jetzt und hier, solange eine Chance bestand, Chloe zu retten.
In diesem Augenblick betraten die drei übrigen Hazaristaner das Geschäft. Sie sahen zwischen Zachs Schrotflinte und den Waffen von Nat und Wade hin und her, dann stellten sie sich wortlos zu Ahmad.
Chloe schaute einen der Männer an und riss die Augen auf. „Ismael!"
„So ist es."
Wade machte einen Schritt nach vorn. Etwas in den Gesichtszügen des Mannes, der mit Ahmads Schwester verheiratet gewesen war, ließ seine Nerven noch eine Spur angespannter werden. Vielleicht war es aber auch etwas, das dort nicht zu sehen war. Ismaels Augen waren düster und starr, als hätte man ihm Medikamente verabreicht oder als sei sein Blick nach innen auf irgendeine verzweifelte Mission gerichtet.
„Wieso?" rief Chloe.
„Weil es mir etwas bedeutet", antwortete Ismael mit einem Nachhall von Trostlosigkeit in seiner sanft klingenden Stimme. „Wegen meiner Frau, die ich so liebte wie mein eigenes Leben. Und weil ich einen persönlichen Dschihad zu erfüllen habe."
Wade spürte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten. Seine Muskeln spannten sich an, da er im Begriff war einzugreifen. Er warf Zach einen kurzen Blick zu, der seine Schrotflinte hochhielt und ein Auge zukniff, um besser zu zielen, obwohl die Waffe auf diese kurze Distanz in jedes Ziel ein Loch von der Größe eines Tennisballs gerissen hätte.
„Du gibst mir die Schuld?"
In Ismaels Lächeln war eine Spur von Schmerz zu sehen. „Du warst das Instrument, so wie ich es jetzt auch bin. Es reicht."
Wade verstand nicht, wovon Ismael sprach, doch es schien, als würde Chloe ihn verstehen. Vielleicht war ihr auch nur klar geworden, dass jede Hoffnung auf ein Einlenken Ahmads vergebens war, wenn Ismael ihr die Schuld an allem geben konnte, was sich zugetragen hatte. Ganz gleich, was der Grund war, ihre Miene verhärtete sich, und sie atmete tief durch, als wäre eine Entscheidung getroffen worden - entweder von ihr oder für sie.
In diesem Moment tauchte auf dem Gehweg vor der Eingangstür eine Gestalt auf, die sich als Mann mit einem Stetson entpuppte. Wade vermutete, dass es sich um den Deputy handelte, der mit Nat das Gerichtsgebäude verlassen hatte. Er musste gesehen haben, wie die drei Hazaristaner das Geschäft betreten hatten,
Weitere Kostenlose Bücher