Der Berg der Sehnsucht: Big Sky Mountain (German Edition)
anderes, denn mit einer solchen Anschaffung erklärte sie sich auch bereit, nicht nur ein weiteres Mal, sondern viele Dutzend Male mehr zum Reiten mitzukommen.
Wie es schien, hatte bei Hutch immer alles mindestens zwei Bedeutungen.
Es war zum Verrücktwerden.
Eine halbe Stunde später war Kendra im Besitz eines Paars hervorragend gearbeiteter und sehr praktischer schwarzer Stiefel ganz ohne irgendwelchen Schnickschnack. Während sie und Madison an einem Picknicktisch im Schatten eines Zeltdachs nahe der Ansammlung aus diversen Imbissbuden warteten, brachte Hutch ihren Schuhkarton zu seinem Wagen, damit sie ihre Einkäufe nicht die ganze Zeit über mit sich herumtragen mussten.
„Ich wollte meine Stiefel aber tragen“, erklärte Madison und lehnte sich auf der Holzbank ein Stück weit nach hinten, damit sie die Beine ausstrecken und ihr neues Schuhwerk bewundern konnten. „Mr Hutch sagt, dass man sie richtig einlaufen muss.“
Mr Hutch sagte dieses, Mr Hutch sagte jenes. Madison war offenbar verliebt.
„Sag mir Bescheid, wenn dir die Zehen drücken oder dir die Fersen wehtun“, sagte Kendra. „Bei neuen Schuhen kommt so was schon mal vor.“
Madison wandte sich um, verdrehte kurz die Augen und nahm eine Fritte aus dem Schälchen, tauchte sie in Ketchup und dirigierte sie auf ihren Mund zu. „Einem Cowgirl ist es egal, ob die Zehen drücken“, verkündete sie. „Wir Cowgirls sind knallhart .“
Über diese Erwiderung musste Kendra lachen, und das nicht nur, weil sie sich vorgenommen hatte, das Ganze etwas lockerer zu nehmen. Das hier war Madisons erstes Paar Stiefel, und vermutlich würde sie diesen Tag für den Rest ihres Lebens in Erinnerung behalten. Und das sollte eine gute Erinnerung sein, sagte sich Kendra.
„Ja“, stimmte sie ihr zu. „Das sind Cowgirls wirklich. Und du bist eindeutig ein geborenes Cowgirl.“
Zufrieden nahm Madison noch eine Fritte, gerade als Boone sich ihrem Tisch näherte. Begleitet wurde er von zwei kleinen dunkelhaarigen Jungs, die aussahen wie Miniaturausgaben des Sheriffs. Sie trugen Jeans, gestreifte T-Shirts und neue Sneakers. Beide hatten sie Sommersprossen, und beiden fiel eine Haarlocke in die Stirn. Wäre der eine von ihnen nicht fast einen Kopf größer gewesen, hätte man sie für Zwillinge halten können.
Aber wenn sie die Jungs betrachtete, entdeckte Kendra bei ihnen auch Gesichtszüge ihrer Mutter. Die Erinnerung an Corrie Taylor schnürte ihr die Kehle zu. Sie hatte diese Frau sehr gemocht, und es war für sie immer noch unfassbar, dass Corrie nicht mehr lebte.
„Sieh an“, sagte sie und lächelte die Gruppe an, wobei sie ein paar Tränen zurückblinzeln musste. „Griffin und Fletcher. Ihr seid ja so groß geworden, dass ich euch fast nicht wiedererkannt hätte.“
Der Kleinere drückte sich verlegen gegen seinen Vater, der so wie seine Söhne heute ganz leger gekleidet war. Überhaupt legte er nicht allzu oft Wert darauf, seine Uniform zu tragen, und momentan war er zudem vermutlich nicht mal im Dienst.
Der größere Junge hielt ihr seine schon ganz männlich wirkende Hand hin. „Ich bin Griff“, stellte er sich vor. Es war Kendra klar, dass er sich nicht mehr an sie erinnerte. Für ihn war sie wahrscheinlich nur irgendeine Bekannte seiner Mom oder seines Dads, die ihm fremd war.
Madison, die sich beim Frittenessen den Mund ringsum mit Ketchup bekleckert hatte, musterte die Jungs mit einer Mischung aus Skepsis und Faszination. In ihren Augen gehörten die zwei vermutlich irgendeiner außerirdischen Spezies an.
„Hallo, Griff. Ich bin Kendra“, erwiderte sie und schüttelte seine Hand. Dann machte sie einen langen Hals, um den anderen Jungen zu sehen, der sich immer noch hinter dem Bein seines Vaters zu verstecken versuchte. „Na, du?“, sagte sie.
„Fletch ist ein bisschen schüchtern“, antwortete Boone, der selbst auch ein wenig schüchtern klang.
„Das ist meine Tochter Madison“, stellte Kendra ihr Mädchen den dreien vor.
„Ich habe neue Stiefel“, verkündete Madison, stand von der Bank auf und kam um den Picknicktisch herum, ging auf Griff zu und stellte sich so dicht vor ihn, dass sie fast Zeh an Zeh standen. „Siehst du?“
Fletch beugte sich vor und schaute um Boone herum. „Mädchenstiefel“, schnaubte er, aber in seinem verächtlichen Tonfall schwang unterschwellig Interesse mit.
Boone lachte leise und strich über den Bürstenhaarschnitt seines Jungen. „Natürlich sind das Mädchenstiefel“, gab er
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